Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Forum Landwirtschaft 2020 blickt auf die Spielregeln der Kommunikation

Angesichts der aktuellen Herausforderungen wie Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt trägt die landwirtschaftliche Branche ihre Unzufriedenheit über geplante Reformen sprichwörtlich auf die Straße.

Mit „Raus aus der Opferrolle“ hatten die Veranstalter angesichts der Bauernproteste das richtige Thema gewählt - wie der volle Saal zeigte

Das diesjährige Forum Landwirtschaft Schwalm-Eder beschäftigte sich unter dem Titel „Raus aus der Opferrolle – Landwirtschaft hat Zukunft“ damit, wie sich Landwirte aktiv in den Veränderungsprozess einbringen können und wie Kommunikation gestaltet werden muss, damit sie Früchte trägt.

Was folgt auf die mediale Aufmerksamkeit?

Thomas Preuße, Chefredakteur der DLG-Mitteilungen, ging in seinem Vortrag auf die zurückliegenden Bauernproteste und die damit transportierten Botschaften ein. Der Ursprung der derzeitigen Bauernproteste liege im Agrar-Paket zum Insektenschutz, welches im September 2019 vorgestellt wurde. Dieser „Kuhhandel“ zwischen den beiden Ministerinnen Klöckner und Schulze habe für die Bauern das Fass zum Überlaufen gebracht. Negativ bewertet der Chefredakteur jedoch die in der Folge aufgestellten grünen Kreuze, da ihre Botschaft unklar war und sich auf die Opferrolle reduzierte. Erst die von der Organisation „Land schafft Verbindung“ (LSV) organisierte Schlepper-Demonstration in Berlin bewirkte eine bundesweite Aufmerksamkeit. Die mediale Reaktion war überwältigend, aber nicht immer so, wie es sich die Landwirte gewünscht hätten. Die Gesellschaft habe festgestellt, dass die Bauern durchaus ein Problem haben, jedoch müsse nun als zweiter Schritt die erzeugte Aufmerksamkeit zur Kommunikation genutzt werden, so Preuße. Landwirte würden Kommunikation häufig so verstehen, anderen Leuten einseitig zu erzählen, was zu tun sei. Es sei ein gesellschaftliches Problem, dass Menschen sich nicht (mehr) miteinander verständigten und sich mit Hilfe der „a-sozialen“ Netzwerke eher in die eigene Filterblase zurückzögen. Derzeit beschränke sich die Kommunikation, insbesondere von LSV, auf die Opferrolle sowie die Fachlichkeit aus der eigenen Perspektive und ließe konkrete Forderungen vermissen.

Die Landwirtschaft braucht eine „neue Geschichte“

Landwirte sollten sich nach Preußes Auffassung von der Vorstellung lösen, sie wären etwas Unverzichtbares. Diese provokative Aussage untermauerte Preuße mit dem Hinweis, dass ein möglicher Wegfall der heimischen Landwirtschaft innerhalb weniger Monate durch Importe aufgefangen werden könnte. Die landwirtschaftliche Branche müsse sich eine neue Geschichte überlegen, die der Welternährung ziehe heute nicht mehr.
Der Ökolandbau ist nach seiner Auffassung ebenso wenig die Lösung wie die Idee einer Hybrid-Landwirtschaft. Letztere bedeute die positiven Eigenschaften des Ökolandbaus zu Erlösen der konventionellen Landwirtschaft zu erbringen. Möglicherweise müsse man sich zukünftig vom bisherigen Herdentrieb lösen und regional eigene Konzepte entwickeln.

Zukunft entlang des gesellschaftlichen Mainstreams gestalten
Auch würde die landwirtschaftliche Fachlichkeit immer absolut gesetzt. Diese beschränke sich auf die Agrarproduktion und würde die Fachlichkeit eines Geologen oder Umweltvertreters, die damit Ziele wie Rote Gewässerkörper oder Insektenaufkommen verbinden, außer Acht lassen. Preuße plädierte dafür, den Lehrplan der Fachschulen um den Aspekt der Umweltbelange zu erweitern. Entweder müssten die Landwirte in den jeweiligen Aspekten besser werden oder Experten auf diesen Gebieten in die Branche einbinden. „Es ist noch kein Beitrag zur Biodiversität, wenn zwei Meter Senf entlang des Waldrands gesät werden“, betonte Preuße.

Die Akzeptanz der Verbraucher für bestimmte Produktionsmethoden, wie zum Beispiel Pflanzenschutzmaßnahmen, schwanke. Deshalb sei es wichtig, einen „Plan B“ zu entwickeln und rechtzeitig neue Dinge auszuprobieren. Fehlende Erfahrung verleite oftmals dazu, neuartige Konzepte als unmöglich abzublocken. Immer wieder käme es zu sozialen Kipppunkten, die die Fakten neuordnen würden und traditionelle Handlungsweisen ablösten. Die Thematik Klimawandel sei auch ein solches Kippelement. Der Klimawandel sei letztlich keine Frage von Wahrheit oder Lüge, sondern die Zukunftsfrage eines Betriebes.

Wer soll das bezahlen?

Letztlich bleibt die Frage im Raum, wie gesellschaftlich geforderte Veränderungen im Ackerbau und der Tierhaltung finanziert werden können. Über den Marktpreis sei dies nicht möglich. „Eine Verbraucherbeschimpfung ist nicht zielführend, da preisorientiertes Einkaufsverhalten normal ist“, bekräftigte der Referent. Zudem machten Aktionspreise nur einen Bruchteil des Umsatzes aus und wären Bestandteil des Wettbewerbs zwischen den Einzelhandelsketten. Er sieht das Problem in der Produktion von standarisierter und damit austauschbarer Waren (Commodities). Demgegenüber wären Nischenerzeugnisse mit regionalem Bezug weniger austauschbar und erzielten höhere Preise.
Mindestpreise wie beispielsweise in Frankreich seien aber aufgrund der sozialen Frage in Deutschland auch schwierig umsetzbar. Bei der Haltungskennzeichnung sei eine Verpflichtung einer freiwilligen Lösung vorzuziehen, diese müsse jedoch EU weit umgesetzt werden.
Vernachlässigen dürfe man auch nicht, dass Landwirte durch konkurrierendes Verhalten selbst zu niedrigen Verkaufserlösen mit beitrügen. So könnten erfolgreich wirtschaftende Betriebe auf geringere Verkaufspreise eingehen und dennoch einen auskömmlichen Gewinn erzielen.

Preuße ist überzeugt: „Die Bauern haben nicht gegen etwas, sondern für ihre Zukunft demonstriert.“ Effiziente Betriebe, die gleichzeitig ein durchdachtes Storytelling nutzten und auf Veränderungen eingingen, seien auf einem guten Weg.

Die Spielregeln erfolgreicher Kommunikation

Mit Tiefgang und Humor vermittelte die Persönlichkeitstrainerin und Landwirtin Elke Pelz-Thaller, wie die Landwirtschaft zu einer höheren Wertschätzung und Wertschöpfung gelangen kann. „Wir müssen die Spielregeln der Kommunikation kennen, um erfolgreich zu sein“, erläuterte die Mentalbäuerin – wie sie sich selbst nennt.

Als ursprüngliche Städterin kam sie durch Heirat auf einen bayrischen Hof mit der Landwirtschaft in Berührung, und kann von außen als auch innen auf die Branche schauen. Einige Grundregeln müssten berücksichtigt werden, um die Kommunikation zu verbessern.

Mit Liebe und Leidenschaft zum Erfolg

Jugendliche übernähmen 80 % der Verhaltensweisen von ihren Eltern. In Hinblick auf den gewählten Betriebszweig sei wichtig, dass dieser nicht aus Ehrfurcht vor den Eltern, sondern aus Leidenschaft fortgeführt werde. Denn wenn ein Mensch seinen Neigungen nachginge, werde er automatisch in Richtungen denken, die ihn zum Erfolg bringen. Gerade für Personen, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, sei die Verkörperung der Leidenschaft wichtig, um Verbraucher mitzunehmen.

Wissen führt zu Wertschätzung

Ein weiterer Erfolgspfeiler sei, die eigene Situation zu reflektieren. Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommen bleibe dies meist aus. Im Hinblick auf den Konflikt zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft sei es aber wichtig, sich über die Ursachen der Spannungen klar zu werden. Für Pelz-Thaller liegt der Grund in Wissenslücken und verlorenem Kontakt: Landwirtschaft findet nicht mehr – wie einst – in der Mitte der Gesellschaft statt; die Konsumenten wüssten immer weniger über Arbeitsweisen. „Mit dem Verlust des Wissens ist auch der Verlust der Wertschätzung verbunden“, ist sich Pelz-Thaller sicher.

Gemeinsamkeiten suchen, Blickrichtung ändern

Wer Verantwortung auf andere überträgt, gibt damit immer auch Macht ab. Die Situation ändern kann nur, wer nicht auf das Wohlwollen anderer angewiesen ist.
Anhand von Hula Hoop Reifen veranschaulichte Elke Pelz-Thaller, dass bei Gemeinsamkeiten Gespräche lösungsorientierter verlaufen können. Im Zweifel müsse man seine „Insel“ verlassen, um die andere Sichtweise einzunehmen.

„Wir produzieren Ferrari-Lebensmittel, nur unsere heimische Bevölkerung ist sich dessen nicht bewusst“, stellte Pelz-Thaller fest. Der Branche fehle das Wissen um Kommunikationspsychologie und Marketing. Deshalb plädierte sie dafür, in Aus- und Fortbildungseinrichtungen diese Themen aufzugreifen.

Wichtig sei aber auch ein sympathischer, selbstbewusster und souveräner Auftritt. Es dürfe nicht beim Gegenüber der Eindruck entstehen, eine „dumme“ Frage gestellt zu haben. Zu einer gelingenden Kommunikation gehöre auch, sein Gegenüber zu beobachten und Ähnlichkeiten zu finden. Bei Gemeinsamkeiten sind Menschen eher bereit, sich zu öffnen. Demgegenüber sollte bei Dissens die Stärke aufgebracht werden, seinen eigenen Standpunkt kurzzeitig zu Gunsten der anderen Sichtweise zu verlassen.

Verantwortung für das eigene Handeln wieder übernehmen

Die Organisatoren des Forum Landwirtschaft gemeinsam mit den Referenten. V.l.n.r. Norbert Klapp, Tim Hilgenberg, Elke Pelz-Thaller, Michael Stein, Lothar Koch, Thomas Preuße

Meist wird die Schuld für die unliebsame Situationen auf Politik, Verbände und Verbraucher übertragen, wodurch die Landwirte die Opferrolle einnähmen. Auf diesem Weg werde aber, so die Referentin, nicht nur Verantwortung, sondern auch Macht abgegeben. Dadurch sei man vom Wohlwollen anderen abhängig. Zur Verdeutlichung führte sie den Unterschied zwischen einem Frosch und einem Adler an. Der Frosch überlässt die Verantwortung über das Leben der Natur und kümmert sich nicht selbst um seine Brut. Überall sieht er gefährliche Füße, die ihn zertrampeln könnten. Der Adler hingegen übernimmt die volle Verantwortung für seine Brut. Er baut sein Nest, brütet die Eier aus, ernährt die Jungen. Landwirte müssten die Verantwortung wieder übernehmen und aktiv werden. „Wissen alleine reicht nicht aus; Erfolg entsteht erst durch Handeln“, schloss Pelz-Thaller.


Das Forum Landwirtschaft Schwalm-Eder 2020 wurde organisiert durch den Verein Landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen im Schwalm-Eder-Kreis, den Agrartechnikerverband Fritzlar, den Regionalbauernverband Kurhessen, den Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, die Bezirkslandfrauenvereine Fritzlar-Homberg und Melsungen, die Landjugend Schwalm-Eder, den Maschinenring Schwalm-Eder und den Runden Bauerntisch.


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