Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Biodiversität

Rebhuhn- und Insekten-Monitoring bestätigen hohe Wertigkeit von mehrjährigen Blühflächen

Das Feldflurprojekt im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis um die Kommunen Borken (Hessen), Jesberg, Bad Zwesten und Neuental erhielt im Jahr 2017 sein erstes Rebhuhn-Monitoring auf einer Offenland-Fläche von ca. 2.700 ha. Hierbei konnten als Ausgangsbesatz immerhin noch 16 Rebhuhn-Reviere erfasst werden.

Seit 2019 wird dieses Monitoring jährlich mit gleicher Methode fortgeführt. Hieraus resultiert eine gute Vergleichbarkeit der einzelnen Jahre sowie der Zunahme der Maßnahmenflächen und Entwicklung Rebhuhn-Dichte. Inzwischen dient es als regelmäßige Wirkungskontrolle der durchgeführten Maßnahmen.

Seit 2018 hessisches Feldflurprojekt

Im Jahr 2018 wurde das heutige Projekt zum Rebhuhnschutz als eines der ersten in Hessen durch die hessische Umweltministerin Priska Hinz offiziell zum Feldflurprojekt ernannt.

Das Projekt setzt ausschließlich auf Lebensraum verbessernde Maßnahmen und kommt gänzlich ohne Fütterungen und Aussetzungen aus. So konnten im Jahr 2019, verteilt auf neunzehn Teilflächen, insgesamt 16 ha Blühflächen durch unterstützende Landwirte angelegt werden, die gezielt auf die Bedürfnisse der Rebhühner eingehen. Bis zum Frühjahr 2021 konnten diese Flächen auf einen Umfang von mehr als 30 ha gesteigert werden. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich in diesem Zusammenhang der Rebhuhnbesatz auf stolze 55 Brutpaare innerhalb des Projektgebietes.

Seit Herbst 2021 Verdopplung des Projektgebietes

Der wirkungsvolle Ansatz sowie das Engagement der beteiligten Landwirte, Jäger und Kommunen sprachen sich herum, sodass das bisherige Projektgebiet um weite Teile der direkt angrenzenden Feldflur erweitert und somit nahezu verdoppelt werden konnte.

Aktuell nehmen 26 landwirtschaftliche Betriebe am Projekt zum Rebhuhnschutz teil und haben mehrjährige, strukturierte Blühflächen auf insgesamt etwa 60 Hektar angelegt.

Blühflächen für Rebhühner und Feldvögel schaffen optimale Lebensbedingungen

Durch die Schaffung von mehrjährigen und einjährigen Strukturen nebeneinander in den Blühflächen sowie von anliegenden, bewuchsfreien Schwarzbrachestreifen werden optimale Bedingungen für die Rebhühner geschaffen, so finden sie auf kleinem Raum Nahrung, Deckung und auch Bruthabitat.

Rebhuhn-Monitoring bestätigt Wert der Maßnahmen

Gegenüber dem Jahr 2020 konnte im Jahresverlauf 2021 eine Zunahme der Brutpaare (bisheriges Projektgebiet) um 45 % auf aktuell 77 Paare verzeichnet werden. Dies beruht einerseits auf dem sehr hohen Bruterfolg im vorausgegangenen Jahr sowie den erfreulich geringen Winterverlusten.

Diesem vielversprechenden Start in die Brutsaison folgte eine sehr ungünstige Witterung während der Brut- und Aufzuchtzeit. Das nasskalte Frühjahr und der regnerische Sommer 2021 führten dazu, dass nur wenige Rebhuhn-Paare erfolgreich brüten konnten. Allerdings war der Bruterfolg derjenigen Brutpaare, die Schlupferfolg hatten mit durchschnittlich neun flügge gewordenen Jungen pro Brutpaar ähnlich hoch wie im Jahr 2020, aber fast dreimal so hoch wie der Landesdurchschnitt.

Besonders auffallend war, dass sich die erfolgreich brütenden Paare stets in unmittelbarer Nähe zu Maßnahmenflächen des Projektes aufhielten.

Besonders wertvoll in schwierigen Wetterlagen

Diese Zahlen belegen eindrücklich den hohen Wert mehrjähriger strukturierter Blühflächen, besonders in Jahren mit ungünstiger Witterung. Daher kann vermutet werden, dass diesen Blühflächen besonders hinsichtlich der Witterung in ungünstigen Jahren eine besonders große Bedeutung zukommt, weil dort die deutlich besseren Nahrungs- und Deckungsbedingungen ein Überleben der Jungen ermöglichen.

Erstmalig Insekten-Monitoring durchgeführt

Da Insekten die alleinige Nahrung der Rebhuhn-Küken während ihrer ersten drei Lebenswochen darstellen, wurde im Jahr 2021 erstmalig untersucht, wie sich die Blühflächen auf die Artenvielfalt und die Individuen-Dichte der Insekten auswirken.

Untersucht wurden vorkommende Insektenarten und weitere Gliedertiere auf acht ausgewählten Blühflächen des Projektes sowie jeweils einer Vergleichsfläche mit herkömmlicher Ackerkultur, welche sich in unmittelbarer Nähe befand.

Erfasst wurden überwiegend die Gattungen der angetroffenen Insekten. Bis auf Artniveau wurden nur eindeutig bestimmbare Individuen bestimmt. Dieses Vorgehen vereinfachte die Untersuchungsmethode erheblich, erlaubte es aber dennoch einen guten Überblick zu erhalten. Auch konnte hierdurch auf die üblicherweise notwendige Tötung der zu untersuchenden Individuen verzichtet werden.

Witterungsverlauf beeinflusste auch Insektenwelt

Wie für die Rebhühner, so war auch für die Insekten das Jahr 2021 durch das nasskalte Frühjahr und den niederschlagsreichen Sommer sehr ungünstig.
So konnten Tagfalter und Heuschrecken nur in sehr geringen Arten- und Individuenzahlen angetroffen werden. Besonders häufig wurden Hautflügler, Schwebfliegen, Käfer, Spinnen und Wanzen in den Untersuchungsflächen erfasst.
Bei allen angetroffenen Tiergruppen war die Anzahl der nachgewiesenen Individuen innerhalb der Blühflächen etwa neunmal so hoch wie in den benachbart gelegenen Kontrollflächen. Bei fast allen der erfassten Artgruppen konnte eine deutlich höhere Bindung an die vorjährigen, älteren Vegetationsstrukturen gegenüber den frisch eingesäten Hälften nachgewiesen werden.

Ausblick

Die regelmäßig und fortlaufend über mehrere Jahre durchgeführten Untersuchungen zur Entwicklung der Rebhuhnvorkommen im Projektgebiet im Schwalm-Eder-Kreis erlauben inzwischen belastbare Aussagen über die Zusammenhänge zwischen Maßnahmenumfängen, Witterungsverlauf und Entwicklung der Rebhuhn-Besätze im Untersuchungsgebiet.

Das im Jahr 2021 erstmalig durchgeführte Insekten-Monitoring ist in einem für Insekten sehr ungünstigen Jahr umgesetzt worden. Um auch hieraus fundierte Aussagen ableiten zu können, soll es ebenfalls über weitere Jahre fortgeführt werden.

Die ersten Ergebnisse bestätigen bereits jetzt die Vermutung, dass besonders mehrjährige Blühflächen einer Vielzahl an Insektengattungen gute Lebensbedingungen bieten und somit eine gute Nahrungsgrundlage für Rebhühner und weitere Feldvögel bieten.

Zusammenarbeit Schlüssel zum Erfolg

Die beschriebene, erfolgreiche Entwicklung des Rebhuhn-Besatzes im Feldflurprojekt um die Kommunen Bad Zwesten, Borken, Neuental und Jesberg ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessensgruppen und Behörden.

Besonders durch das Engagement der Landwirte wird der Erfolg des Projektes getragen. Das Regierungspräsidium Kassel finanziert und begleitet die Monitorings und das Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung in Fritzlar übernimmt die Antragstellung und sorgt für finanziellen Ausgleich der Landwirte, die auf den Maßnahmenflächen auf die Ernte verzichten. Die Jägerschaft kümmert sich um die Bejagung von Beutegreifern und wertet weitere Biotope auf. Die beteiligten Kommunen reduzieren ihre Wege- und Flächenpflegeaktivitäten bzw. verlegen sie auf einen deutlich späteren Zeitpunkt. Die Beratung und Koordination aller Beteiligter übernimmt der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.

Rebhühner sind Bodenbrüter und halten sich standorttreu das ganze Jahr über bei uns in der Feldflur auf. Im Winter leben sie in größeren Familienverbänden (Ketten) zusammen. Im zeitigen Frühjahr lösen sich die Ketten auf, es kommt während der Balz im März/April zur Paarbildung und Besetzung eines Brutrevieres. Nach einer recht langen „Verlobungszeit“ beginnen die Hennen erst Anfang Mai mit der Eiablage. Rebhuhn-Gelege sind mit rund 20 Eiern vollständig, dann erst beginnt die Henne mit dem Ausbrüten. Ende Juni/ Anfang Juli schlüpfen die Küken, sie sind Nestflüchter und müssen sich von Anfang an selbst versorgen. In ihren ersten drei Lebenswochen ernähren sich Rebhuhn-Küken ausschließlich von Insekten, erst nach und nach bereichern immer mehr Pflanzenteile und Sämereien ihren Speiseplan. Beide Eltern führen und begleiten die Kükenschar, die nun bis über Winter als Kette zusammenbleibt.

Besonders durch ihren sehr späten Schlupf sind Rebhühner sehr stark durch ausgemäht werden gefährdet.


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