Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Boden & Düngung

Nicht immer nur N- oder P-Mangel: genauer hinschauen, wenn Pflanzen rot werden

Genauso wie viele Menschen in stressigen Situation erröten, zeigen viele Pflanzenarten unter Stressbedingungen wie niedrige Temperaturen oder hohe Einstrahlung eine Rot- oder Violettfärbung des Blattapparates durch Anreicherung von Anthocyanen.

Bei hoher Einstrahlung oder geringen Temperaturen können Ungleichgewichte zwischen Strahlungsaufnahme, CO2-Assimilation und Assimilatverwertung für Wachstum in Form von Energieüberschüssen auftreten, die zur Bildung schädlicher Verbindungen (reaktive Sauerstoffspezies) führen und das Pflanzenwachstum beeinträchtigen. Die Akkumulation von Anthocyanen stellt eine Art Schutzmechanismus dar: die Einlagerung vor allem in äußeren Blattschichten reduziert die Strahlungsaufnahme und ihre Synthese verbraucht Energie.

Aber auch eine nicht ausreichende Nährstoffversorgung kann eine Verfärbung des Blattapparates verursachen. In der Praxis wird eine Rot-/Violettfärbung oft einem N- oder P-Mangel zugeschrieben und durch ergänzende Düngegaben gegengesteuert, was die Produktionskosten steigert und gegebenenfalls Umweltbelastungen nach sich zieht, falls andere Ursachen zugrunde liegen. Generell ist eine Rot- bzw. Violettfärbung kein spezifisches Symptom für einen N- oder P-Mangel, sondern kann auch durch eine Reihe anderer Nährstoffdefizite ausgelöst werden (Abbildung 1).

Stickstoff
Eine Rot- oder Violettfärbung durch N-Mangel wird vor allem bei Pflanzenarten beobachtet, die natürlicherweise hohe Anthocyan-gehalte aufweisen, wie z.B. Brassica-Arten, kann aber auch bei anderen Arten auftreten.
Dabei verfärben sich Blattspreiten, Adern und Blattstiele älterer Blätter zuerst, da Chlorophyll abgebaut und der Stickstoff in junge Blätter verlagert wird. Eine Anthocyan-Akkumulation geht daher gewöhnlich einher mit einer Chlorose.
Phosphor
Im Gegensatz zu N-Mangel führt P-Mangel meist zu einer höheren Chlorophylldichte bezogen auf die Blattfläche, und Blätter erscheinen dunkel blaugrün. Rot-Violettfärbung zeigt sich zuerst an Stängeln, Blattstielen, dem unteren Blattbereich und Blattadern. Während bei N-Mangel die Verfärbung entlang der Adern einsetzt, ist bei P-Mangel zunächst der Bereich zwischen den Adern betroffen.
Niedrige Temperaturen können durch eine eingeschränkte P-Aufnahme der Wurzel ebenfalls vorübergehend P-Mangel induzieren – in der Praxis ist dies beispielsweise öfter in der Jugendentwicklung von Mais zu beobachten.
Magnesium
Bei Mg-Mangel zeigt sich zunächst eine Chlorose, vor allem zwischen den Adern vollentwickelter Blätter. Begleitend kann bei einigen Pflanzenarten eine Violettfärbung des Blattes auftreten, wie beispielsweise bei Mais, die normalerweise in älteren Blättern beginnt und am Blattrand einsetzt.
Schwefel
In einigen Arten, wie Raps, wurde auch bei S-Mangel eine Anthocyan-Anreicherung beobachtet. Im Gegensatz zu N- oder Mg-Mangel betrifft die Violettfärbung bei S-Mangel zunächst jüngere Blätter, weil Schwefel innerhalb der Pflanze nur langsam verlagert wird.
Sonstige
Auch bei Mikronährstoffmangel kann u.U. eine Anreicherung von Anthocyanen auftreten. So wurde eine Rot-/Violettfärbung durch Bormangel bei Brassica- und Trifoliumarten gefunden und bei Mais durch Zink-Mangel.
Abbildung 1: Durch Nährstoffmangel verursachte Anthocyan-Anreicherung in Blättern. (c) N-Mangel bei Raps, von links nach rechts: junge bis alte Blätter derselben Pflanze (d) Mais mit ausreichender (links) bzw. geringer (rechts) N-Versorgung (e) Raps mit von links nach rechts zunehmenden Symptomen von S-Mangel (f) Sellerie mit zunehmenden Symptomen von Mg-Mangel (g) P-Mangel bei Blumenkohl (h) Mg-Mangel bei Mais (i) P-Mangel bei Mais; Quelle: Jezek et al. 2023, New Phytologist, https://nph.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/nph.18833 (aufgerufen am 24.04.2023)

Fazit

Eine Rot-/Violettfärbung des Blattes kann durch spezifische Umweltbedingungen aber auch verschiedene Arten von Nährstoffmangel ausgelöst werden. Es ist also sinnvoll, genauer hinzuschauen.

Die Intensität der Anthocyan-Anreicherung und deren Verteilung in den verschiedenen Blattkompartimenten könnte als eine Art Bioindikator genutzt werden, um die Nährstoffversorgung noch besser an den Bedarf der Bestände anzupassen. Aktuell verfügbare optische Sensoren arbeiten jedoch noch nicht präzise genug, um zuverlässig verschiedene Arten von Nährstoffmangel unterscheiden zu können.


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