Gemüsebau & Kräuter
Hessischer Gemüsebautag 2024 stand im Zeichen von Digitalisierung und KI
Im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen fand am 31. Januar 2024 der Hessische Gemüsebautag in der Stadthalle Gernsheim statt. Die traditionsreiche Tagung für Fachkräfte des Gemüsebaus widmete sich in diesem Jahr dem Schwerpunktthema Digitalisierung.
Auf der vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) und Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen e.V. (GVBWH) veranstalteten Tagung wurden zudem regionale Versuchsergebnisse vorgestellt. Durch das Programm führten die Moderatoren Stefan Nauheimer und Christian Fetzer, beide Gartenbau-Berater für Gemüsebau im LLH.
Anforderungen an heimischen Gemüsebau sind hoch
Thomas Heiland, Hauptgeschäftsführer des GVBWH, merkte in seinem Grußwort an, dass die Anforderungen an den heimischen Gemüsebau extrem hoch und mit großen Herausforderungen für die Anbauenden verbunden seien. Lang wäre die Liste an Themen, mit denen sich der Berufsstand seit vielen Jahren in seiner betrieblichen Praxis beschäftigen müsse. Heiland nannte Stichworte wie Bürokratie, Energie, LKW-Maut, Pflanzenschutz, Stoffstrombilanz, Lieferkettengesetz, Mindestlohn, Fachkräftemangel und Wasserverfügbarkeit und betonte, dass sich alle aufgezählten Themen in eine zentrale Frage zusammenfassen ließen: „Was ist die regionale Erzeugung noch wert bzw. ist der heimische Anbau von Obst, Gemüse und Zierpflanzen noch gewollt?“ – Es müsse intensiv diskutiert werden.
Versuchsergebnisse zu Chinakohl und Winterporree
Im Anschluss wurden Ergebnisse aus dem gartenbaulichen Versuchswesen zu Chinakohl und Winterporree präsentiert. Sebastian Weinheimer, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, erläuterte Erkenntnisse aus Düngeversuchen auf dem Lehr- und Versuchsbetrieb Queckbrunnerhof in Schifferstadt. Die Düngeversuche im Chinakohl zeigten, dass mit stickstofffixierenden Bakterien eine Vorgabe von 20 % Düngereduktion in den roten Gebieten nicht zu kompensieren war, wohingegen eine Unterfußdüngung mit Ammoniumsulfat sich positiv auf den Ertrag ausgewirkt hat.
LLH-Standort Geisenheim befindet sich im Wandel
Von personellen Veränderungen über Baumaßnahmen bis hin zu Versuchsplanungen: Jens Pospich, Fachinformation Gartenbau, berichtete über Neuerungen am LLH-Standort Geisenheim. Dieser sei aktuell von Umbruch und Weiterentwicklung geprägt. Da das bisherige Foliengewächshaus nicht mehr zur Verfügung steht, soll etwas südlich davon ein neues entstehen. Bis zu dessen Fertigstellung dient derzeit ein Interimsfolientunnel zur teilweisen Aufrechterhaltung des Versuchsbetriebs. „Aktuell werden die Weichen gestellt. Im Ziel wird ein breitaufgestelltes Versuchswesen für den geschützten Gemüseanbau entstehen“, so Jens Pospich. Geplant sind Versuche an Snackpaprika, Gurke (in Air-Pot-U Stellagen System), Queller (Salicornia europaea), Wasabi, Passionsblume und zu Biostimulanzien. Darüber hinaus soll das Sortiment anhand des Saisonprodukts (Adventszeit) Tannenbaumtomate erweitert werden.
Chancen durch Nutzung digitaler Pflanzenbautechnik
Über aktuelle Herausforderungen an die Landwirtschaft im Zuge der Digitalisierung sprach Andreas Dörr, Betriebsleiter des 1450 Hektar umfassenden Ackerbaubetriebs Doerr-Agrar. Für sein Engagement, die beiden Betriebsstandorte in Oepfershausen (Thüringen) und Ostheim v.d. Rhön (Unterfranken) zu digitalisieren, wurde der technikaffine Praktiker bereits mit Preisen ausgezeichnet. So erfolgt auf den Ackerbaubetrieben Teilflächenbewirtschaftung (Precision Farming) mit modernen Technologien. Alle Fahrzeuge sind mit einer Lenksystemtechnik ausgestattet und die Maschinen steuern GPS-gelenkt zentimetergenau über das Feld. Die Fahrspuren der Maschinen werden über das Controlled Traffic Farming (CTF) detailliert am Computer vorgeplant und genau festgelegt. CTF wird seit zehn Jahren im Betrieb von Andreas Dörr angewendet und der Referent hob hervor: „Es macht aus vielerlei Hinsicht Sinn, weil es die Bodenverdichtung reduziert, die Befahrbarkeit verbessert und Betriebsabläufe optimiert.“
Vielfältiges LLH-Beratungsangebot vorgestellt
Passend dazu ging Lena Gedig, Beraterin für Ökonomie und Verfahrenstechnik im LLH, auf die Digitalisierungsförderung in Hessen ein und stellte das Projekt „DigiNetz“ vor. Letzteres dient der Vernetzung und Beratung interessierter Landwirtinnen und Landwirte zu allen Themen rund um die Digitalisierung in Landwirtschaft und Gartenbau und bietet Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln.
Die neuen LLH-Kollegen Robert von Klitzing und Christian Dyroff, beide Beratungsteam Ökologischer Landbau, erklärten außerdem in Kurzbeiträgen die Ziele und Aufgabenschwerpunkte der LLH-Klimaschutzberatung sowie des Projekts „100 nachhaltige Bauernhöfe“, welches in 2021 durch das Hessische Umweltministerium initiiert wurde und vom LLH umgesetzt wird.
Künstliche Intelligenz in der Bewässerungssteuerung
Die richtige Wassermenge zum richtigen Zeitpunkt fördert das Pflanzenwachstum und kann den Ertrag steigern. Mittels einer effizienten Bewässerungssteuerung lässt sich der Wasserverbrauch optimieren und es kann eine gleichmäßige Bewässerung erfolgen. Samantha Rubo von der Hochschule Geisenheim stellte eine neue Entwicklung im Umfeld der Geisenheimer Steuerung vor: Ein georeferenziertes Sensor-gestütztes Daten-Management-System (GeoSenSys) zur teilflächenspezifischen Bewässerung und Stickstoff(N)-Düngung von Freilandgemüse. GeoSenSys ist als GIS-basierte Webanwendung konzipiert und soll im Freilandgemüsebau als Entscheidungshilfesystem dienen. Am Beispiel der Modellkultur Spinat zielt das Projekt darauf ab, ein neuronales Netz zur Bewässerungssteuerung (Artificial Neuronal Network for Irrigation, kurz „ANNI“) zu entwickeln. Im Fokus stehen dabei neben der spektralen Reflexion der Spinatpflanze ebenso gemessene Boden-, Pflanzen- und Umweltparameter an standortbezogenen Flächen.
Biodiversität: Von Europa bis auf den hessischen Betrieb
Den Abschluss des Gemüsebautags markierte das Thema „Biodiversität in der Agrarlandschaft.“ Zu den Faktoren, die sich negativ auf die biologische Vielfalt auswirken, zählen Umweltverschmutzung, Klimawandel, invasive Arten und Veränderungen der Land- und Meeresnutzung. Global gesehen ist die Population wildlebender Arten in den vergangenen 40 Jahren um 60 % zurückgegangen und rund 75 % der Land- sowie 40 % der Meeresumwelt der Erde haben sich drastisch verändert. Der European Green Deal zielt darauf ab, diese Veränderungen bis 2050 in eine positive Richtung zu lenken. Auch Hessen geht mit der Hessischen Biodiversitätsstrategie voran. Verschiedene Akteure bemühen sich gemeinsam mit der Landwirtschaft die Vielfalt der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der Landschaft zu fördern. Wie das möglich ist und welche Vorteile das auch für den Anbau von Nahrungsmitteln hat, darauf gingen Anja Eirich und Philipp Möbs vom Beratungsteam Biodiversität des LLH ein.