Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Boden & Gewässerschutz

Regenwasser verlangsamen, infiltrieren und speichern

Wasserretention in der Land(wirt)schaft

In den letzten Jahren machen sich die Auswirkungen des Klimawandels in der Landwirtschaft immer deutlicher bemerkbar. Das Jahr 2022 hat mit seinen Trockenperioden und Starkniederschlägen eindrücklich gezeigt, wie wichtig Wasser in der Landwirtschaft ist. Eine Herausforderung für die Landwirtschaft sind die sich verändernden Niederschlagsmuster, vor allem die zunehmenden Starkregenereignisse. Sie bringen die Böden in Abhängigkeit von Bodenart, Nutzung und Topographie oft an die Kapazitätsgrenze der Wasserinfiltration.

Erosionsrisiko nimmt zu

Bei ausgeprägten, kleinräumigen Niederschlagsereignissen mit hoher Intensität läuft der Infiltrationsprozess von Wasser in den Boden meist nicht optimal ab. Lehm- und Schluffböden neigen schnell dazu, infiltrationshemmende Oberflächenverschlämmung auszubilden. Diese kommt zustande, wenn Bewegungsenergie des herabfallenden Niederschlags die Bodenteilchen aus ihrem Gefügeverbund herausschlagen. Bei entsprechender Geländeneigung verursacht das nicht in den Boden infiltrierte Oberflächenwasser mit den gelösten Bodenteilchen hangabwärts strömende Bodenerosion. Beobachtungen zufolge kommt es im Erosionsfall in Hessen vermehrt zu einem flächigen Abtrag von Bodenmaterial und weniger zu linienförmigem Erosionsabfluss in Rillen, Rinnen oder Gräben. Verlangsamt sich das Wasser auf seinem Weg bergab auf natürlichem Wege oder in angelegten Landschaftselementen, entsteht dort ein typischer Auslaufbereich mit Bodenablagerung in sogenannten Schwemmfächern.

Neben einem unwiederbringlichen Verlust des wertvollen Oberbodens im Abtragsbereich bringt Bodenerosion eine Vielzahl weiterer negativer Begleiterscheinungen. Durch Bodenerosion kann es zum unerwünschten Eintrag von Sedimenten, Nähr- und Schadstoffen in Gewässer oder in andere benachbarte Ökosysteme kommen. Außerdem kann Bodenerosion eine Konzentration von angeschwemmten Dünge- und Pflanzenschutzmitteln im Auftragsbereich bewirken, Pflanzen mit Boden überdecken, Verkehrsflächen, Gräben, Kanalisation, Wohngebiete und Privateigentum überfluten und verschmutzen.

Modelle zur Berechnung des Risikos für Bodenerosion in Hessen zeigen vor allem ein Risiko für Bodenerosion durch Niederschlagswasser. Winderosion spielt eine eher untergeordnete Rolle. Im Bodenviewer Hessen kann unter dem Themenbaum Bodenerosionsatlas die natürliche Erosionsgefährdung flächenspezifisch eingesehen werden.

Klimaresilienz durch optimierte Infiltration

Damit der fruchtbarste und landwirtschaftlich bedeutendste Teil des Bodens dort bleibt, wo er hingehört, muss die Landwirtschaft Maßnahmen ergreifen, die zum Bodenschutz beitragen und Verluste des Oberbodens verhindern. Erst recht gilt es das zu beachten, wenn sich die klimatischen Bedingungen weiter in Richtung trocken und heiß verschieben und es neben der Erosionskontrolle auch darum geht, das kostbare Nass auch bei Starkregen in der Fläche zu halten und bestmöglich auszunutzen. Für mehr Klimaresilienz sind ackerbauliche Maßnahmen so auszurichten, dass Wasserinfiltration und Wasserhaltekapazität der Böden gesteigert werden.

Der renommierte Agrarwissenschaftler W. Ehlers beschreibt das Geheimnis hoher Infiltrabilität in der Offenheit und Lockerheit des Ackerbodens. In Bezug auf Extremniederschläge ist ein wichtiger Teilaspekt auch die Stabilität des Lockergefüges gegen mechanische Beanspruchung. Damit Bodenporen möglichst lange funktionieren, müssen gezielt Maßnahmen wie eine chemische Gefügestabilisierung durch Kalkung oder Zufuhr von Humus in der Fruchtfolge berücksichtigt werden. Allein schon der Verbleib organischer Substanz auf dem Acker sorgt für die Bildung stabiler Humusfraktionen. Oberflächlicher Boden-Gefüge-Schutz, aber auch Schutz vor unnötigen Bodenwasserverlusten durch Evaporation gelingen mit der Etablierung von Deckschichten aus Mulch. Zwischenfruchtgemenge zur gezielten Erschließung unterschiedlicher Bodenschichten oder mehrjährige Ackerbegrünung mit beispielsweise tiefwurzelnder Luzerne oder Kleegras wirken nicht nur positiv auf die Bodenfruchtbarkeit sondern auch auf die natürliche Lockerung und Durchporung des Bodens.

Keyline-Design im Hügelland

Das Keyline-Design, zu Deutsch Schlüssellinienkultur, ist eine Planungs- und Gestaltungsmethode zur Entwicklung ländlicher und städtischer Landschaften. Mit Hilfe des integrierten Ansatzes können so erosionsgefährdete Bereiche wirkungsvoll entschärft, ökologisch wertvolle Flächen gesichert und unkontrolliert abfließendes Oberflächenwasser nach Starkregen für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden. Das Konzept ist geeignet für Hügellandschaften und stellt eine erweiterte Form des Erosionsschutzstreifens dar.

Neben der konturlinienparallelen Bewirtschaftung der Landwirtschaftsflächen sind leichte grabenförmige Geländemodellierungen sog. swales entlang von Höhenlinien das zentrale Landschaftselement im Keyline-Design. Kommt es bei einem Starkregenereignis zu oberflächlichem Wasserabfluss, können die Gräben Wasser temporär aufnehmen und in die Fläche versickern. Was trotzdem abfließt, wird durch die Gräben in leichtem Gefälle gelenkt und in der Fläche verteilt. Eine geschickte Anlage der Gräben kann überschüssiges Oberflächenwasser aus der Fläche entweder in Feuchtwiesen leiten oder in Wasserspeicherbecken ableiten.

Zur Stabilisierung der swales bietet es sich an, diese in einem dauerhaft begrünten Pufferstreifen anzulegen. Diese Zone eignet sich sehr gut als Pflanzstreifen für Agroforst. Nach erfolgreicher Etablierung der Gehölzzone profitieren angrenzende Bewirtschaftungseinheiten von den vielfältigen Effekten wie unter anderem von einer reduzierten Evapotranspiration durch Windschutz und Beschattung, Bodenstabilisierung, verbesserte Wasserinfiltration entlang der Baumwurzeln und positiven Effekte auf den Bodenwasserhaushalt durch Agroforst in Trockenperioden.

Foto: "NaturGut Katzhof, Schweiz"
Foto: "NaturGut Katzhof, Schweiz"

Der Verlauf der Wassergräben wurde mit Hilfe von GPS-Daten abgesteckt und anschließend eine Kante ausgebaggert. Darin soll das Wasser primär versickern oder bei zu großen Mengen in den Speicher fließen.
Erkennbar ist auch der Pufferstreifen um den Wassergraben herum. Gehölzpflanzung trägt zur Stabilisierung bei.

(Fotos: „NaturGut Katzhof, Schweiz“)

Gesteuerte Drainagen im Flachland

Schematische Darstellung einer gesteuerten Drainage; Quelle: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker mbH

Ein Drainagesystem auf landwirtschaftlicher Fläche wird angelegt, um möglichst schnell überschüssiges Bodenwasser abzuleiten und die Produktivität der Fläche zu verbessern. Nachteilig an der Sache ist, dass solche Systeme auch während Trockenperioden dem Boden kontinuierlich Wasser entziehen.

In Zeiten, wo der Pflanzenbau häufiger mit Mangel oder Überschuss an Wasser konfrontiert wird, sollten alle verfügbaren Potentiale ausgeschöpft werden, um verfügbares Wasser möglichst lange in der Fläche zu halten und produktiv zu nutzen. Grundlage hierfür ist das Verständnis für den Boden, diesen als ein System zu verstehen und nicht nur ausschließlich als Substrat, um Kulturpflanzen anzubauen. Ein Ansatz, um passiv entwässernde Drainagesystem in das aktive Bodenwassermanagement mit einzubinden, ist die Umrüstung zur gesteuerten Drainage. Mit Hilfe einer gesteuerten Drainage lassen sich die Drainageausläufe mittels Schieberelementen im Regelungsschacht aktiv in ihrem Durchlass regulieren.

Die Verwendung von elektrischen Schiebern bietet die Möglichkeit, über eine funkgesteuerte Schaltzentrale das Einstauprogramm der nächsten Tage an die Drainage zu senden. In Abhängigkeit von der Wettervorhersage kann so gezielt Einfluss auf den Wasserstand im Schlag genommen werden und im Bedarfsfall Bodenwasser über die Entwässerungstiefe hinaus angestaut und individuell auch wieder abgesenkt werden.

Wasser und Stickstoff in der Fläche halten

Konkret soll vor heftigen Niederschlagsereignissen der Grundwasserstand vorübergehend verringert werden, um Niederschlagswasser im Boden bestmöglich zwischenspeichern zu können. Umgekehrt kann bei voraussichtlicher Trockenheit der Wasserstand in der Fläche erhöht werden, um dem Pflanzenbestand ausreichend Wasser zur Überbrückung längerer Trockenperioden darzubieten. Wird auf Flächen mit gesteuerter Drainage mit Zusatzbewässerung gearbeitet, kann das System der geregelten Drainage dazu beitragen, den potentiellen Startzeitpunkt einer Bewässerungsmaßnahme zu verzögern. Darüber hinaus wird versucht, durch Reduzierung des freien Abflusses von Drainagewasser höhere Bodenwassergehalte unterhalb der Wurzelzone der Kultur einzustellen. Die reduzierenden Bodenverhältnisse können dazu beitragen, das nach unten verlagerte Nitrat in elementaren Stickstoff umzuwandeln (Denitrifikation).

Wie hoch tatsächlich der Pegel in der Fläche angestaut werden kann, ohne das Kulturpflanzenwachstum und die Befahrbarkeit der Fläche zu beeinträchtigen, ist Gegenstand verschiedener Untersuchungen. Neben mehrjährigen Aktivitäten in Nachbarländern wie den Niederlanden und Belgien untersucht aktuell auch die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen die Wirkung der gesteuerten Drainage auf das Pflanzenwachstum.

„Slow Water“-Projekt in der Schweiz

Dem Thema Wasserrückhalt widmet sich auch ein mehrjährig angelegtes Forschungsprojekt am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung des Kantons Baselland in der Schweiz. Mit verschiedenen Retentionsstrategien will das Projekt „Slow Water“ das Wasser, insbesondere aus Starkniederschlägen, besser in den Böden zurückhalten und den landwirtschaftlichen Kulturen verfügbar machen. Projektstart ist Januar 2024. Neben der Gemeinde Riehen und dem Kanton Baselland gehören weitere Gemeinden im Kanton Luzern zur Pilotregion des Projektes „Slow Water“.

Bei der Projektvorstellung wurde gewarnt, dass der Klimawandel nicht warte, bis wir Menschen eine Lösung entwickelt hätten, damit umzugehen, sondern dass dieser kontinuierlich fortschreite. Der Handlungsdruck in der Landwirtschaft sei groß und man müsse endlich beginnen, Maßnahmen in die Fläche zu bringen. Ziel in den Schweizer Projektregionen sei der langfristige Erhalt der Ertragsfähigkeit im Pflanzenbau und in der Tierhaltung.

Schutz des Trinkwassers und vor Überflutung

Erosionsschutzstreifen sind begrünte Flächen auf Ackerflächen in erosionsgefährdeten Lagen. Foto: Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung, Schweiz

Über eine Kombination verschiedener Maßnahmen soll der Wasserabfluss aus der Fläche beziehungsweise im Einzugsgebiet verlangsamt werden und Regenwasser verstärkt in der Agrarlandschaft zwischengespeichert werden. Dabei soll auch Bodenerosion verhindert werden. Über die Umsetzung von Maßnahmen in der Projektregion soll ebenfalls geprüft werden, inwieweit dies dazu beitragen kann, die Wasserversorgung von Gemeinden über Quellen und Brunnen, insbesondere in Zeiten von Trockenperioden, sicherzustellen. Außerdem will man mit dem Projekt „Slow Water“ in den Pilotregionen einen Schutz der kommunalen Infrastruktur und Privatbauten vor Überschwemmungs- und Hochwasserschäden erzielen.

Retentionsteich ohne Versickerung zur Speicherung von Regenwasser; Foto: Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung, Schweiz

Zusätzlich soll erarbeitet werden, welche Informationen und Ressourcen die Landwirtschaft für eine wirkungsvolle Umsetzung verschiedenster Maßnahmen benötigt. Mit dem Maßnahmenkonzept stehe man noch ganz am Anfang und die einzelnen Maßnahmen müssen noch genauer unter Praxisbedingungen erprobt werden. Wichtig sei zu wissen, welche Faktoren die Wirkung einer Maßnahme bestimmen und welche Einzelmaßnahmen sich optimal kombinieren lassen.

Der „Slow Water“-Werkzeugkasten unterscheidet prinzipiell zwischen klassischen agronomischen Maßnahmen und hydrotechnischen Maßnahmen. Zu den agronomischen Maßnahmen gehören Humusaufbau, Untersaat, schonende Bodenbearbeitung, Hecken auf Höhenlinien, Agroforst, extensive Weiden und Wiesen, Bunt- und Rotationsbrachen, Säume auf Ackerland, Überführung von Acker- in Dauergrünland.

Hydrotechnische Maßnahmen umfassen Retentionsteiche für Regen- und Oberflächenwasserrückhalt mit und ohne Versickerung, Versickerungsmulden- und
-kanäle, Regenwassersammlung und -speicherung von Dächern und versiegelten Flächen, Nutzung von Drainagen zur kurzzeitigen Wasserrückhaltung in der Fläche und das Keyline-Design in Kombination mit Agroforst, Konturpflügen oder -grubbern.

Auch eine ökonomische Analyse erachtet Kilcher als sehr wichtig, denn man müsse detailliert aufzeigen, welche Kosten entstehen und wie die Maßnahmen auf die Ertragsfähigkeit und die Produktionskosten wirken. Untersucht werden muss auch, welche zukünftigen Wirkungen die einzelnen Maßnahmen in Anbetracht eines fortschreitenden Klimawandels haben.

Betriebsspezifisch und überbetrieblich planen

Weil es keine Universallösung gibt, sollten bei der bei der Planung von Maßnahmen zur Wasserretention stets betriebsspezifische Landschaftsanalysen durchgeführt werden. Entsprechend der Ausgangslage ergibt sich dann, welche Maßnahmenkombination für einen Betrieb Sinn macht. Ausschlaggebend ist jeweils die topografische Situation, welche die Grundlinie der Wasserführung liefert. Weiterhin ist das Thema Wasserretention nicht nur einzelbetrieblich zu denken, sondern im Einzugsgebiet überbetrieblich unter Einbeziehung aller Parteien wie Flächenbewirtschafter, Flächeneigentümer, Beratung und Kommune zu planen.


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