Freizeitgartenbau/Gartenakademie
Die Mistel – Freund oder Feind?
Mistelsträuße sind in der Vorweihnachtszeit als Dekoration beliebt und schmücken als Glücksbringer manchen Hauseingang. In Sagen und Legenden gilt die Mistel als Symbol des Friedens und der Liebe. So soll ein Kuss unter dem Mistelzweig an Weihnachten dem Paar Glück bringen.
In letzter Zeit fallen aufmerksamen Beobachtern die besonderen Baumbewohner immer öfter ins Auge – vor allem jetzt, in der Winterzeit. Warum gibt es mehr Misteln als früher? Und stellen sie eine Bedrohung für unsere Bäume dar? Wir haben Beate Reichhold-Appel von der Hessischen Gartenakademie gefragt:
Was ist die Mistel botanisch gesehen?
Die Laubholz-Mistel (Viscum album) ist eine kugelig wachsende, immergrüne Pflanze. Daher fällt sie uns im Winter besonders auf, wenn die Bäume ihr eigenes Laub abgeworfen haben. Als zweihäusige Pflanze (männliche und weibliche Pflanzen) wächst die Laubholz-Mistel auf Obstbäumen (vorrangig Apfel, aber auch Birne), sowie an Laubgehölzen wie Pappel, Weide, Birke, Hasel, Robinie, Linde und Ahorn.
Wie verbreitet sie sich?
Die Laubholz-Mistel ist eine wertvolle Nahrungsquelle für Tiere: die Blüten im Frühjahr für Insekten (u.a. Wildbienen); die Beeren in der Winterzeit für Vögel. Den Vögeln verdankt sie auch ihre Verbreitung. Vornehmlich die Misteldrossel aber auch Zugvögel, wie der Seidenschwanz, fressen die weißlichen Beeren, die im Dezember reifen. Das Fruchtfleisch der Beeren ist stark klebrig, daher haften Teile davon gut am Vogelschnabel. Abgestreift am Wirtsbaum oder mit dem Kot ausgeschieden kann später der Mistelkeimling seine Saugwurzeln schnell in das Holz einwachsen lassen.
Gibt es wirklich mehr Misteln als früher und wenn ja, warum?
Ja, der Trend ist eindeutig. Selbst in nördlichen Gefilden Deutschlands, wo die Mistel früher selten war, ist sie immer häufiger anzutreffen, auch in höheren Lagen nimmt sie zu.
Es gibt verschiedene Theorien:
Eine besagt, dass die Luft insgesamt reiner ist als früher, und dies der Grund für das verstärkte Auftreten der Laubholz-Mistel sein könnte. Aber auch klimatische Veränderungen, wie lange Trockenperioden, schwächen die Bäume und machen sie so anfälliger für den Halbschmarotzer.
Zu beobachten ist allerdings, dass insbesondere auf vernachlässigten, weniger gepflegten Streuobstwiesen die Verbreitung enorm zunimmt, und die sich Mistel von dort ausgehend in der Umgebung breitmacht.
Sind Misteln für ihre Wirte gefährlich?
Als Halbschmarotzer entzieht die Mistel ihrem Wirt mit ihren Saugwurzeln Wasser und Nährstoffe. Bei günstiger Wasserversorgung des Baumes und bei geringem Mistelbesatz ist dies keine ernste Bedrohung. Jedoch kommt es bei schlechter Wasserversorgung (zum Beispiel in Trockenjahren) und/oder bei sehr starkem Mistelbefall zu gravierendem Zuwachsverlust. Der Baum wird massiv geschwächt. Dies kann auch zum Absterben von Ästen, Kronenpartien bis hin zum Absterben des ganzen Baumes führen.
Macht der zunehmende Mistelbefall den Obstbauern zu schaffen?
Der zunehmende Mistelbefall im Erwerbsobstbau und auch in gepflegten Streuobstanlagen stellt kein Problem dar, es ist – wenn überhaupt – nur geringer Befall zu beobachten.
Anders sieht es, wie gesagt, in weniger gepflegten Streuobstwiesen aus. Werden die Bäume nicht rechtzeitig und regelmäßig durch Schnittmaßnahmen gepflegt, wird ein Mistelbefall für die Bäume gefährlich und kann bei starkem Befall zu großem Schaden führen.
Stehen Misteln nicht unter Naturschutz?
Die Laubholz-Mistel steht nicht unter Naturschutz. Sie ist in der Roten Liste unter der Gefährdungskategorie „ungefährdet“ eingestuft. Trotzdem bedarf es einer Genehmigung für das gewerbliche Sammeln. Selbst für den privaten Bedarf greift die Handstraußregel hier nicht! Die Grundstückseigentümer müssen um Erlaubnis gefragt werden.
Welchen Nutzen haben Misteln, abgesehen von ihrer ökologischen Bedeutung und Deko-Zwecken?
Alle Pflanzenteile der Mistel sind wenig giftig bis giftig. Sie enthalten verschiedene Wirkstoffe, die auch in der Medizin angewendet werden. Vor allem Viscotoxine und Lectine und haben blutdrucksenkende Wirkung. Auch in der Krebstherapie und Homöopathie finden sich Anwendungen. Interessanterweise ist die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe als auch die Menge und demzufolge die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe von den Wirtspflanzen abhängig. Am giftigsten sind Misteln von Ahorn, gefolgt von Linde, Pappel, Walnuss und Robinie. Am wenigsten giftig sind die vom Apfelbaum.