Wintergetreide
Klimawandel: Aussaattermine der Wintergerste überdenken?
Der Klimawandel ist in aller Munde. Die Folgen sind für uns direkt spürbar und es gilt nun, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Welche neuen pflanzenbaulichen Rahmenbedingungen ergeben sich durch den Klimawandel?
Betrachtet man den linearen Trend der Wetteraufzeichnungen des DWD, so wird deutlich, dass sich die Vegetationsperiode im Zeitraum von 1951 bis 2012 um etwa 15 Tage verlängert hat. Sie erreichte zuletzt etwa 234 Tage. Während der letzten 60 Jahre entspricht dies einer mittleren Verlängerung um ca. einen Tag in einem Zeitraum von vier Jahren.
Geht man weiter ins Detail, so stellt man fest, dass im Zeitraum von 1991-2018 der Herbst deutlich länger geworden ist und die Vegetation im Frühjahr zeitiger begonnen hat. Das Mehr an Vegetation geht in Summe zu Lasten des Winters.
Aussaattermin der Wintergerste
Zunächst einmal bestimmen die vor Winter angelegten Triebe maßgeblich den Ertrag. Für das Ertragsoptimum benötigt eine gute Wintergerste einen Haupttrieb sowie mindestens 2 bis 3 kräftige Nebentriebe, um das Ziel von 500 und 600 Ähren/m² (vereinzelt auch 650 Ähren/m²) zu erreichen. Für diese Entwicklung benötigt die Pflanzen mindestens 50 bis 60 Wachstumstage nach Aufgang und eine Temperatursumme von 400 bis 450°C.
Durch die längere Vegetation im Herbst und der Beibehaltung der ortsüblichen Saattermine kann die Gerste auch schnell 6 bis 8 leistungsstarke Triebe ausbilden. Bei einer Aussaatstärke von 280 Körnern/m² kommen so weit über 1000 Triebe/m² zustande. Diese müssen dann im Frühjahr wieder auf die oben genannte Zielgröße reduziert werden.
Die Kurztagsbedingungen sind für die Entwicklung der Pflanzen so entscheidend, da die Dauer des Wachstums unter diesen Bedingungen bestimmt, wie viele Blätter und Triebe angelegt werden. Alle Triebe, die im Kurztag gebildet werden und mehr als 3 Blätter ausbilden, sind so vital, dass sie eine Ähre ausbilden. Aus diesem Grund hat der Saatzeitpunkt maßgeblichen Einfluss auf die Ährendichte.
Der Kurztag ist zu Ende, wenn die Tageslänge 14 Stunden überschreitet. So lange können noch Nebentriebe angelegt werden. Da die Vegetation im Frühjahr zeitiger beginnt, hat die Pflanze auch im Frühjahr noch unter Kurztagsbedingungen die Möglichkeit, Nebentriebe zu bilden. Bei späten Saatterminen ist das ein Vorteil. Für Bestände, die bereits gut bestockt in den Winter gegangen sind, hingegen ein Nachteil. Daher muss man bei der Berechnung der Saatstärke und des Saattermins abschätzen, wie weit sich der Bestand bis Vegetationsende entwickeln kann.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich die Verschiebung des Saattermins um 5 bis 7 Tage nach hinten als vorteilhaft erwiesen hat.
Spätfröste im Frühjahr
Durch den Klimawandel beobachtet man tendenziell eine Zunahme der Spätfröste im April/Mai. Im Jahr 2017 und 2020 kam es im Frühjahr zu Beginn der Schossphase der Wintergerste zu Spätfrösten. Die Folge war eine nicht immer voll ausgebildete Ähre. Sie wird auch als Laternenblütigkeit bezeichnet. Dieser Effekt war bei den klassischen Normalsaaten je nach Sorte unterschiedlich stark ausgeprägt. Bei Aussaaten im Oktober sind die Schäden nur sehr selten festzustellen gewesen. Die späteren Saattermine waren zu dem Zeitpunkt noch nicht in der „großen Periode“. Sie wird charakterisiert durch ein überproportionales Längenwachstum der Ähre. An der Ähre beginnt im BBCH 31/32 das Wachstum der Grannen und die Spindel streckt sich. Alle ertragsbildenden Blüten sind zu diesem Zeitpunkt angelegt. Innerhalb der folgenden 14 Tage werden die jüngsten Blüten in der Streckungsphase in Abhängigkeit der Witterung und Vitalität reduziert. Je größer der Stress für die Pflanze ist, wie in diesem Beispiel der Frost, desto mehr Kornanlagen gehen verloren.
Düngung
Die Novellierung der Düngeverordnung ist seit dem 01.05.2020 in Kraft. Im Hinblick auf die Herbstdüngung werden teilweise deutliche Veränderungen eintreten. Innerhalb der §13 Gebiete (sogenannte rote Gebiete) wird ab 2021 keine Stickstoffdüngung im Herbst in der Wintergerste mehr erlaubt sein. Eine gut und weit entwickelte Wintergerste kann im Herbst bereits einen N-Bedarf von 15 bis 30 kg/ha entwickeln (teilweise auch mehr).
Außerhalb dieser Gebiete kann ein N-Bedarf bis maximal 60 kg/ha Gesamt-N bzw. 30 kg/ha NH4-N gedeckt werden. Der im Herbst organisch gedüngte NH4-Stickstoff und der mineralisch gedüngte Stickstoff sind dann voll bei der Düngebedarfsermittlung im Frühjahr anzurechnen.
Eine früh gesäte und weit entwickelte Gerste konkurriert meist mit der Strohrotte der Vorfrucht Weizen um den Stickstoff im Boden. Wenn das Weizenstroh auf der Fläche verblieben ist, wird dann für eine Strohrotte zwischen 40 und 70 kg/ha N benötigt. Alleine nur für den Stoppelabbau werden rund 20 kg/ha N benötigt!
Die Wintergerste beginnt bereits im Herbst mit der Ährenanlage. Daher darf sie im Herbst nicht unter Nährstoffmangel leiden. Überzogene Wintergerstenbestände im Herbst darf man sich daher in den §13 Gebieten zukünftig nicht mehr erlauben.
Geht die Gerste mit 2 bis 3 Nebentrieben in den Winter, kann sie den Nährstoffbedarf aus dem Boden decken. Hat die Pflanze 4 und mehr Nebentriebe gebildet, kann ein erhöhter Nährstoffbedarf entstehen, der nicht aus dem Bodenvorrat zur Verfügung gestellt werden kann. Ein Mangel wirkt sich somit negativ auf die Ertragsorgane aus.
Schädlinge
Da der Herbst in der Tendenz wärmer und die Vegetation länger geworden ist, nimmt die Bedeutung der Blattläuse als Virusüberträger zu. Getreidereichere Fruchtfolgen und Zwischenfrüchte, die verstärkt in Mulchsaaten bestellt werden, bieten den Blattläusen beste Rückzugs- und Infektionsorte. Aus diesem Grund nimmt die Bedeutung einer Insektizidbehandlung im Herbst in der Gerste zu. Dabei ergeben sich mehrere Herausforderungen.
Ab dem 2-3-Blattstadium sind die Bestände zu kontrollieren. In dieser Phase gilt eine Schadschwelle von 10 bis 20 % befallener Pflanzen. Die Befallsermittlung gestaltet sich nicht immer leicht, da man die Blattläuse nur sehr schwer finden kann.
Diese Phase überschneidet sich auch mit der Aussaat von anderem Wintergetreide, so dass man dann meist Kompromisse bei der Bekämpfung eingeht. Neben der vergleichsweise kurzen Wirkungsdauer, die nur wenige Tage beträgt (je nach Witterung 5 bis 7 Tage), kommt die Wirkungsunsicherheit hinzu. Hat die Gerste nur 2 bis 3 Blätter, besitzt sie nur wenig Zielfläche für das Insektizid. In den letzten Jahren fällt zudem auf, dass die Wirkungsgrade der Pyrethroide gegenüber Blattläuse nachlassen.
Auch hier kann der spätere Saattermin der Gerste vorteilhaft sein. Denn je später die Gerste gesät wird und aufläuft, um so unattraktiver sind die Pflanzen für die Schädlinge. Gut bestockte und weit entwickelte Gerste wird im Herbst deutlich stärker angeflogen.
Ungräser
In den letzten Jahren konnte man eine deutliche Zunahme der Verungrasung der Ackerflächen beobachten. Sie ist zum Einen auf schlechte Anwendungsbedingungen der Herbizide und zum Anderen auf Resistenzentwicklungen zurückzuführen. Daraus resultiert eine Zunahme der Samen im Boden.
Betrachten wir uns die Thematik der Verungrasung am Beispiel des Ackerfuchsschwanzes. Dessen Samen läuft zu rund 80 % im Herbst auf. Der Zeitraum erstreckt sich von Mitte August bis Ende November. Die Hauptkeimphase liegt zwischen Anfang September bis Anfang November. Verschiebt man nun den Saatzeitpunkt von Mitte September auf Anfang Oktober, kann man leicht die Anzahl Pflanzen/m² um rund 30 % reduzieren und die Anzahl Fuchsschwanzähren/m² halbieren. Der Ungrasdruck kann in der Kultur so deutlich reduziert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, vor der eigentlichen Gerstenaussaat ein sogenanntes Scheinsaatbett anzulegen. Bei der Scheinsaat legt man ca. 14 Tage vor dem eigentlichen Saattermin ein falsches Saatbett an. Der Acker sollte sich so präsentieren, als ob man tatsächlich eine Aussaat durchführen wollte. Ziel ist es, möglichst viele Ungrassamen zum Auflauf zu bringen. Bei Wegfall von Wirkstoffen und schlechteren Wirkungsgraden von Produkten ist dies eine wichtiger Baustein im Ungrasmanagement eines jeden Betriebes.
Fruchtfolge
Die Wintergerste steht in vielen Betrieben als abtragende Kultur nach Getreide. Einzelne positionieren die Wintergerste auch nach Leguminosen mit sehr positivem Erfolg. Mit einem späteren Aussaatzeitpunkt ergeben sich auch andere Kulturen als Vorfrucht. So zeigt sich die Wintergerste sehr dankbar nach Zuckerrüben oder auch Silomais. Bei letzterem bietet es sich an, die Wintergerste auch in Mulchsaat zu drillen. Von Vorteil ist hier ein deutlich niedrigeres Fusariumrisiko im Vergleich zu einer Winterweizenaussaat.
Erträge
Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen und auch andere Institutionen haben in den letzten Jahren Versuche mit unterschiedlichen Saatzeiten in der Wintergerste durchgeführt. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass eine Verschiebung des Saattermins um bis zu 14 Tage zum ortsüblichen normalen Saattermin kaum ertragliche Veränderungen gebracht hat. Aussaaten, die ab Mitte bis Ende Oktober und somit mehr als 14 Tag zum ortsüblichen normalen Aussaattermin erfolgten, fielen teilweise deutlich ab.
Hybrid- oder Liniensorte?
Sehr oft liest man: Je später die Aussaat erfolgt, desto größer sind die Vorteile der Hybridsorten. Diese Aussagen beruhen darauf, dass Hybriden deutlich geringere Temperaturansprüche aufweisen als Liniensorten. Um eine volle Bestockung zu erreichen, benötigen sie eine um 200°C geringere Temperatursumme.
Das Wachstum dauert im Herbst länger und beginnt im Frühjahr zeitiger. So hat die Pflanze die Möglichkeit, 1-2 Nebentriebe mehr zu produzieren. Wegen dieser Eigenschaft wird auch die Aussaatstärke der Hybridgerste im Vergleich zur Liniengerste um ein Drittel reduziert. Das sich dieser positive Effekt auch im Ertrag widerspiegelt, kann man nicht immer feststellen. Bei sehr späten Aussaaten, die Mitte bis Ende Oktober erfolgten, können aufgrund der höheren Saatstärke sogar die Liniensorten tendenziell etwas besser abschneiden. Daraus lässt sich ableiten, dass bei diesen Terminen die Saatstärke der Hybriden nicht um ein Drittel niedriger gewählt werden sollte als bei den Liniensorten.
Fazit
- Im Hinblick auf die tendenziell längere Herbstvegetationszeit ist eine Verschiebung des Aussaattermins um mind. 5-7 Tage nach hinten zu überlegen.
- Frühe Aussaaten neigen zum Überwachsen und laufen in §13 Gebieten in eine Nährstoffmangelsituation.
- Lange (und teilweise warme) Vegetationsperioden im Herbst erhöhen das Risiko von Infektionen der Blattläuse mit Gelbverzwergungsvirus (BYDV).
- Spätere Aussaattermine mindern den Ungrasdruck von Ackerfuchsschwanz und Windhalm.
- Wintergerste nach Silomais kann im Vergleich zu Winterweizen das Fusariumrisiko reduzieren.