Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Pflanzenschutz

Integrierter Pflanzenschutz im Obstbau – Herausforderungen für die Praxis

Der integrierte Pflanzenschutz basiert auf der Kombination von Verfahren, bei denen, unter vorrangiger Berücksichtigung von biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen, die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird.

Rechts im Bild ein blühender Blühstreifen, mittig ein Grasstreifen, links sind Kirschbäume mit reifen Früchten zu sehen, im Hintergrund ist Wohnbebauung erkennbar
Blühstreifen zur Nützlingsförderung am Feldrand

Ziel ist es, Pflanzenschutzmittel und weitere Abwehr- und Bekämpfungsmethoden so anzuwenden, dass sie wirtschaftlich und ökologisch vertretbar sind. Nur dadurch können Risiken für Gesundheit und Umwelt minimiert und gleichzeitig landwirtschaftliche Produkte von hoher Qualität und in ausreichender Menge erzeugt werden. Außerdem soll mit dem integriertem Pflanzenschutz der Natur- und Umweltschutz gefördert werden.

Dabei spielt auch der chemische Pflanzenschutz eine Rolle und zwar nach dem Prinzip „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Dazu werden verschiedene Verfahren und kulturbegleitende Maßnahmen genutzt, die in das Anbausystem integriert werden.

Bausteine des Integrierten Pflanzenschutzes

Zu den Instrumenten des integrierten Pflanzenschutzes zählen der präventive Pflanzenschutz, Monitoring und Risikoanalyse und der direkte Pflanzenschutz. Beim präventiven Pflanzenschutz ist vor allem die Sortenwahl zu beachten, zudem sollten tolerante sowie resistente Sorten bzw. Unterlagen eingesetzt werden. Dabei sollte jedoch auch darauf geachtet werden, wie sich die jeweiligen Produkte vermarkten lassen.

Durch verschiedene Hygienemaßnahmen kann einem Befall mit Schadorganismen ebenfalls vorgebeugt werden. Im Obstbau können beim Baumschnitt Krankheiten über Schneidwerkzeuge übertragen werden. Die Arbeitsgeräte regelmäßig zu reinigen und zu desinfizieren hilft, diese Probleme zu vermeiden. Ebenso wichtig sind Anbau- und Pflegesysteme sowie natürliche Gegenspieler zu fördern. Etwa durch Schaffung geeigneter Lebensräume für diese. Zum Beispiel können Hecken und Randstreifen, Insektenhotels oder Nisthilfen für Vögel Lebensräume für Nützlinge bieten.

Schaderregerbefall überwachen

Gelbtafel im belaubten Kirschbaum, vereinzelt sind reife Kirschen zu sehen
Gelbtafel zur Überwachung von Kirschfruchtfliegen im Kirschbaum

Beim Monitoring wird das Auftreten von Schaderregern überwacht. Dadurch lässt sich ableiten, wann eine Schadschwelle überschritten wird und eine Behandlung der Kultur sinnvoll ist. Dabei können eigene Beobachtungen, aber auch Warndienstangebote und Empfehlungen der Offizialberatung genutzt werden.

Direkte Pflanzenschutzmaßnahmen können biologisch, biotechnisch und physikalisch, aber auch chemisch sein. Im Gewächshaus bzw. Folientunnel kann der gezielte Einsatz von Nützlingen den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel reduzieren.

Bei der Beachtung der Schwellenwerte für eine chemische Pflanzenschutzmaßnahme ist nicht nur der Bekämpfungsrichtwert bzw. die Schadensschwelle (Schaderregerbefall, bei dem ein Ertragsverlust nachweisbar ist) zu beachten. Vor allem ist die ökonomische Schadensschwelle entscheidend. Das heißt, der Schaderregerbefall, bei dem Schäden eintreten, muss den Aufwand einer Pflanzenschutzmaßnahme rechtfertigen. Teilweise kann es sogar billiger sein, den Schädlingsbefall bis zu einer gewissen Grenze zu tolerieren, anstatt ihn direkt zu bekämpfen.

Um Schaderreger zu überwachen, bietet sich als einfachste Form die visuelle Beobachtung an. Daneben können auch Fallen eingesetzt werden, zum Beispiel Pheromonfallen oder Farbtafeln, durch welche sich unterschiedliche Schaderreger erfassen lassen.

Prognosemodelle und Monitoringdaten

Eine weitere Möglichkeit sind Prognosemodelle. Neben dem Programm „RIMpro“, welches Apfelschorf, Apfelkrebs und Apfelwickler prognostiziert, können hessische Betriebe seit diesem Jahr auch ISIP (Informationssystem Integrierte Pflanzenproduktion) nutzen. Dieses bildet Monitoringdaten zum Auftreten von Apfel- und Pflaumenwickler ab. Verfügbar sind über ISIP zudem Prognosemodelle und Entscheidungshilfesysteme im Obstbau für Apfelschorf, Feuerbrand und Apfelschädlinge sowie zur Berechnung des Befallsrisikos für die Kirschessigfliege. Solche wetterbasierten Modelle und Systeme helfen Bekämpfungsmaßnahmen zu terminieren mit dem Ziel, Pflanzenschutzanwendungen gezielt einzusetzen und auf das notwendige Maß zu reduzieren. Dadurch können auch die Anwendungskosten gesenkt werden.

Das Wetter spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Schaderregerausbreitung, entscheidet aber auch, wie erfolgreich die durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen sind.

Zeitpunkt und Mittelwahl sind entscheidend

Auf Grundlage der zuvor beschriebenen Maßnahmen müssen Anwendende individuell entscheiden, ob und wann sich eine Maßnahme empfiehlt. Dabei sind biologische, biotechnische und physikalische Maßnahmen vor allem dann anzuwenden, wenn sich damit ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen lässt. Auch der richtige Zeitpunkt, die Wahl des richtigen Mittels und die Aufwandmenge spielen eine entscheidende Rolle.

Was das „richtige Maß“ beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist, hängt also von vielen Faktoren ab. Unter anderem von den jahresspezifischen Bedingungen und der Befallssituation. Auch der Verfahrenserfolg muss von allen Anwendenden selbst überprüft werden. Nur dann kann ausgewertet werden, wie wirksam die eingesetzte Methode tatsächlich war.

Mannigfaltige Herausforderungen

Neue Vorgaben und Auflagen als auch die Ausweisung neuer Schutzgebiete stellen Anbauende vor große Herausforderungen. Zur Resistenzvermeidung sollen möglichst Mittel mit unterschiedlichen Wirkstoffen und -klassen eingesetzt werden. Durch den Wegfall von immer mehr Wirkstoffen ist dies kaum noch möglich. Langfristig kann es zu Resistenzen von Schädlingen und Pilzkrankheiten kommen, was den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes widerstrebt. Insgesamt wird es zunehmend schwieriger, die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes umzusetzen.

Für die Betriebe bedeutet dies, bewährtes Wissen und Handeln im Pflanzenschutz muss ständig neu hinterfragt und erweitert werden, um auch weiterhin die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen, dem Wettbewerbsdruck standzuhalten und die gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen. Digitalisierung und neue Techniken können jedoch helfen, dieses umzusetzen.

LLH unterstützt Gartenbaubetriebe

In einem neuen Projekt zum nachhaltigen Pflanzenschutz im Gartenbau am LLH werden solche Fragestellungen bearbeitet. Das Projekt entstand im Rahmen des Pestizidreduktionsplanes (PRP) des Landes Hessen und basiert auf dem Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP). Dieser hat zum Ziel, die Risiken und Auswirkungen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die mit der Anwendung von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln verbunden sein können, zu verringern. Bis zum Jahr 2030 soll der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und Bioziden um 30 % (verglichen mit dem Zeitraum 2015 – 2017) reduziert werden.

Der LLH unterstützt die hessischen Gartenbaubetriebe dabei, betriebsindividuelle Lösungsansätze zu finden, die praktikabel und kostenbewusst in den Betriebsablauf integriert werden können.


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