Rinder
Dem Futtermangel trotzen
Die lange anhaltende Trockenheit führt dazu, dass die Grobfutterreserven sowohl bei Gras- als auch bei Maissilage für die kommende Winterfütterungsperiode und darüber hinaus in hessischen Milchkuhbetrieben knapp werden könnten.
Wie kann man dem Futtermangel begegnen? Welche Strategien sind möglich und sinnvoll? Neben dem möglichen Zukauf von Grobfuttern oder industriellen Nebenprodukten sollte vorab der gesamte Viehbestand einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Was muss an Jungvieh unbedingt aufgezogen werden? Oder ist jetzt der Zeitpunkt, den Kuhbestand zu reduzieren? Hier gilt es, bei knappen Grobfuttervorräten mit weniger Kühen zufriedenstellende Milchleistungen zu erfüttern, anstatt mehr Kühe nicht leistungsgerecht versorgen zu können! Entscheidend ist, dass bei allen angestrebten Lösungen die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse der Tiere hinsichtlich der Versorgung mit Protein, Energie, Struktur, Mineralstoffen und Spurenelementen beachtet werden müssen. Zugleich wird die Milchviehfütterung unter den Bedingungen knapper Grobfutterressourcen teurer und zusätzliche Arbeitserledigung für die Fütterung fällt an.
Basis „Futtervorratsplanung“
Basis einer bedarfsgerechten Versorgung des Milchviehbestandes ist gerade bei Futterknappheit eine rechtzeitige Futtervorratsplanung. Ausgehend von den im Betrieb zur Verfügung stehenden Silage- und Heu- bzw. Strohmengen, die möglichst genau erfasst werden müssen, wird die Verteilung auf die einzelnen Tiergruppen (Jungvieh, Mastvieh, Milchkühe) und Leistungsgruppen (trocken-stehende, frisch laktierende, altmelkende Kühe) vorgenommen.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Raumgewichte einzelner Grob-, Saft- und Kraftfuttermittel, die zur Ermittlung der Futterbestände notwendig sind.
Futtermittel | TM-Bereich in % | kg/m3 | dt/m3 |
---|---|---|---|
Heu | |||
lang, lose | 70 – 80 | 1,4 – 1,3 | |
HD-Ballen | 50 -100 | 2,0 – 1,0 | |
Rundballen (1,5 x 1,2 m) | 100 – 160 | 1,0 – 0,6 | |
Quaderballen (2,0 x 1,2 x 0,7 m) | 120 – 160 | 0,8 – 0,6 | |
Grassilage (Fahrsilo) | |||
Feuchtsilage | bis 20 | 800 – 750 | 0,13 – 0,14 |
Anwelksilage | 25 – 35 | 650 – 550 | 0,15 – 0,18 |
Heulage | 40 – 60 | 500 – 350 | 0,20 – 0,30 |
Rundballensilage (1,2 x 1,2 m) | 35 – 45 | 350 – 450 | 0,20 – 0,30 |
Maissilage (Fahrsilo) | 27 – 32 | 660 – 610 | 0,15 – 0,16 |
Biertrebersilage | 26 | 1000 | |
Pressschnitzelsilage | 20 – 24 | 1000 – 850 | |
Stroh | |||
HD-Ballen | 50 – 100 | 2,0 – 1,2 | |
Rundballen (1,2 x 1,2 m) | 80 – 120 | 1,2 – 0,8 | |
Quaderballen (2,4 x 1,2 x 0,7 m) | 100 – 140 | 1,0 – 0,7 | |
Kraftfuttermittel *) | |||
Getreide Ø | 6,5 dt/m3 | 0,15 m3/dt | |
Gerste | 610 (580 – 640) | 0,16 | |
Weizen | 760 (710 – 820) | 0,13 | |
Kraftfutter Rindvieh | 550 – 650 | 0,18 – 0,15 |
*) oft in Hektoliter (hl)-Gewicht ( 1 hl = 1/10 m3 )
Quelle: LLH Kassel, LWK NRW, STMLF Bayern
Die auf dem Betrieb vorhandenen Futtermengen werden mit dem Bedarf der Tiere (Tabelle 2) gegen gerechnet und der Überschuss bzw. der Fehlbedarf ermittelt.
tägliche TM-Aufnahme kg | benötigte Grobfutter-TM dt/Monat | |
Milchkuh | 12 – 14 | 3,9 |
Jungvieh unter 1 Jahr | 4 – 5 | 1,4 |
Jungvieh 1 – 2 Jahre | 8 – 9 | 2,6 |
Jungvieh über 2 Jahre | 9 – 10 | 2,9 |
Erst so lässt sich eine erste Bilanz ziehen, wie viel der jeweiligen betriebseigenen Futtermittel zur Verfügung stehen bzw. welcher Fehlbedarf auftritt, der durch Zukauf ersetzt werden muss!
Welche Alternativen?
Biertreber
Biertreber ist eine für Milchkühe gut geeignete Rationskomponente. Es handelt sich hierbei insbesondere um ein Proteinfuttermittel, das sich durch einen sehr hohen Anteil an beständigem Protein (UDP 40 %) auszeichnet, was für Hochleistungskühe von besonderer Bedeutung ist. Praxiserfahrungen hinsichtlich positiver Effekte auf Leistung und Gesundheit der Tiere dürften in erster Linie hierauf zurückzuführen sein (bessere Eiweißversorgung am Dünndarm, geringere RNB). Hinzu kommen eine beobachtete positive Beeinflussung der Futteraufnahme sowie so genannte diätetische Effekte, die allerdings im Zusammenhang mit der Gesamtrationsgestaltung betrachtet werden müssen.
Biertreber müssen, analog zu Pressschnitzeln, möglichst heiß siliert werden, um sie haltbar zu machen. Dies bedeutet Mehrarbeit, Silierverluste und Risiko, was bei der Beurteilung der Preiswürdigkeit zu berücksichtigen ist. Frische Biertreber haben mit durchschnittlich 24 % einen relativ niedrigen Trockenmassegehalt, so dass sie schnell verderben. Sie müssen deshalb stets mindestens vier, besser sechs Wochen silieren. Dies bedeutet mindestens zwei Silos – aus einem wird gefüttert, das zweite siliert! Fütterungsversuche haben gezeigt, dass bis zu 15 kg Biertrebersilage je Kuh und Tag mit Erfolg einzusetzen sind. In der Praxis haben sich Mengen bis zu 8 kg bewährt, was zu einer Ersparnis von 15 % an sonstigem Grobfutter führt.
Pressschnitzel
Eine weitere Möglichkeit ist der Zukauf von Pressschnitzeln. Dieses Futtermittel eignet sich sehr gut zum Silieren. Die Pressschnitzel (25 – 28 % TM) müssen jedoch schnell, noch warm mit ca. 40 – 45 Grad Celsius, einsiliert und sorgfältig abgedeckt werden.
Hierzu eignet sich das Verfahren der Schlauchsilierung, bei der mittels einer Silopresse das Siliergut in einen Folienschlauch gepresst wird. Je nach Presse haben die Schläuche einen Durchmesser von 1,65 bis 3,00 Meter, der unbedingt an den Tierbestand angepasst werden muss, um einen Vorschub von 0,3 – 0,5 Meter pro Tag realisieren zu können. Für die Dauer der Gärgasbildung müssen im Folienschlauch Ventile eingesetzt sein, durch die entstehenden Gärgase entweichen können. Nach Abschluss der Gärgasbildung sind diese Öffnungen wieder zu verschließen. Mit der Verfütterung wird nach frühestens 6 – 8 Wochen begonnen, wenn die Silage abgekühlt ist. Die Energiekonzentration der Pressschnitzel liegt bei ca. 7,5 MJ je kg Trockenmasse. Der Proteingehalt ist mit 11 % relativ niedrig. Die maximale Einsatzmenge pro Kuh und Tag sollte auf 12 – 14 kg Pressschnitzel begrenzt werden. Bei der Rationsgestaltung ist trotz der positiven pansenphysiologischen Wirkung auf den Ausgleich mit Strukturkomponenten zu achten. Die maximale Einsatzmenge beträgt bei Kühen 5,0 kg TM/Kuh/Tag, in der Mastrinderfütterung knapp 30 % der Gesamtfutter-aufnahme. Durch den praxisüblichen Einsatz von 8 – 12 kg Pressschnitzel lassen sich etwa 15 – 20 % Grobfutter in der Tagesration einsparen.
Zuckerrübenkleinteile
Sofern von der Zuckerfabrik Zuckerrübenkleinteile abgegeben werden, können diese ebenfalls in der Rinderfütterung eingesetzt werden. Dieses Produkt entsteht bei der Verarbeitung der Zuckerrübe. Neben kleinen Rübenbruchstücken sind auch Stengelteile enthalten. Das Futter ist sehr gut silierbar und wird gerne gefressen. Die Energiekonzentration der Kleinteile, die zum großen Teil aus Zucker kommt, liegt bei ca. 6,2 MJ NEL je kg TM. Es handelt sich um ein reines Saftfutter ohne jegliche Struktur. Problematisch kann der schwankende Anteil an Schmutzresten sein, was sich im Rohaschegehalt wiederspiegelt. Rohaschegehalte von weniger als 12 % weisen auf eine saubere Ware hin. Hohe Rohaschegehalte über 12 % können Probleme hinsichtlich der Verdauung hervorrufen.
Kartoffelpresspülpe
Dieses Futtermittel wurde in den letzten Jahren verstärkt auch in Milchviehbetrieben verfüttert. Kartoffelpresspülpe entsteht bei der Herstellung von Kartoffelstärke. Die Pülpe besteht aus feingemahlener Schale, Zellwänden, Stärkeresten und Fruchtwasser. In einer Spezialanlage wird die Pülpe bis auf 14 – 15 % Trockenmasse entwässert und lässt sich gut silieren. Sie ist reich an Stärke (ca. 38 %) und Energie (ca. 7,3 MJ NEL/kg TM), aber arm an Protein und enthält keine strukturwirksame Rohfaser. Die Stärke wird langsam im Pansen abgebaut und ist für den Wiederkäuer zu 100 % verfügbar. In der Milchviehfütterung können 10-15 kg Pülpe in der Ration eingesetzt werden. Hierbei ist neben dem notwendigen Strukturausgleich auf eine Mineralstoff- und Spurenelementergänzung zu achten.
Kartoffelreibsel
Kartoffelreibsel entstehen beim Schälen von Kartoffeln. Sie enthalten hauptsächlich Stärke. Der Energiegehalt beträgt ca. 7,6 MJ NEL/kg TM, der Trockensubstanzgehalt knapp 19 %. In der Praxis werden Mengen von bis zu 6 – 12 kg Kartoffelreibsel je Kuh und Tag eingesetzt. Bei der Rationsplanung ist der hohe Gehalt an beständiger Stärke zu berücksichtigen. Für einen Ausgleich an Strukturfutter muss ebenfalls gesorgt werden.
Möhrentrester
Möhrentrester entsteht bei der Herstellung von Möhrensaft. Er fällt als Pressrückstand bei der Saftherstellung an und ist ein nährstoffreiches Futter mit hohem Carotingehalt. Der Energiegehalt beträgt ca. 7,9 MJ NEL/kg TM, der Trockensubstanzgehalt knapp 18 %. Der Gehalt an Zucker liegt bei ca. 9 %. Vor der Verarbeitung werden die Möhren enterdet und gewaschen, anschließend dampfgeschält, zerkleinert und der Saft herausgepresst. Je Kuh und Tag werden ca. 3 – 4 kg Frischmasse gefüttert.
Durch den hohen Zuckergehalt siliert der Trester ohne Probleme. Die Silooberfläche sollte glattgestrichen werden. Um Oberflächenverluste zu vermeiden, kann die Oberfläche mit Salz abgestreut werden.
Anschließend wird der Trester mit einer Silofolie luftdicht abgedeckt und die Folie mit Reifen oder Sandsäcken beschwert, um ein Eindringen von Wasser und Luft zu verhindern. Der Vorschub bei der Entnahme sollte etwa 0,8 bis 1,0 Meter pro Woche betragen.
Apfeltrester
Apfeltrester entsteht bei der Herstellung von Apfelsaft. Der Trester ist der Pressrückstand bei der Saftherstellung. Bei den heutigen Herstellungsmethoden enthält der Pressrückstand deutlich mehr Restzucker, der durchaus bis 25 % betragen kann. Der Energiegehalt beträgt ca. 7,4 MJ NEL/kg TM, der Trockensubstanzgehalt knapp 20 %.
Apfeltrester wird mit ca. 5 – 6 kg pro Kuh und Tag eingesetzt und verbessert die Schmackhaftigkeit der Gesamtration. Apfeltrester eignet sich gut zu reiner bzw. über-wiegender Grassilagefütterung, besonders zu zuckerarmen Silagen. Apfeltrester sollte zur Verlustminimierung, ähnlich wie Möhrentrester, einsiliert werden.
Luzerne
Luzerne ist universell einsetzbar sowohl bei Milchkühen als auch Mastbullen. Fütterungsversuche bei Mastbullen an der LFL in Grub (Ettle et al., 2012) mit 60% Luzernesilage in der Ration zeigten neben positiven diätetischen Eigenschaften zufrieden-stellende Ergebnisse bei Mast- und Schlachtleistung.
Aufgrund der guten Strukturwirkung passt Luzerne sehr gut zu maisbetonten Rationen. Die Konservierung ist als Silage, Heu oder Trockengut möglich. Allerdings zählt Luzerne aufgrund des geringen Zuckergehaltes (ca. 65 g/kg TM) und der hohen Pufferkapazität (79 g MS/kg TM) zu den schwer silierbaren Futtern. Bewährt hat sich das Pressen in Rund- oder Quaderballen, bei ordnungsgemäßer Lagerung sehr guten Erfolgen hinsichtlich Verminderung von Futterverlusten durch Verderb. In der Ration ersetzen z.B. 2,0 kg TM Luzernesilage ca. 0,9 kg Sojaextraktionsschrot und 1,4 kg Stroh bzw. 1,1 kg Rapsextraktionsschrot und 1,2 kg Stroh hinsichtlich der Versorgung mit Rohprotein, Energie und Struktur.
Neben dem Eigenanbau wird auch, i.d.R. in Quaderballen verpresstes, getrocknetes Luzerneheu gehandelt. In Fütterungsversuchen konnten positive Effekte dieser Luzerne auch auf die Futteraufnahme nachgewiesen werden. Bei den getesteten Fütterungsvarianten (Pries et al., 2013) lag die Futteraufnahme der „Luzernegruppen“ um 1,2 bis 1,4 kg höher gegenüber der Strohvariante. Bei Einsatzmengen von 2 kg/Tier/Tag können rund 10 % der täglichen Gras- und 5 % Maissilage eingespart werden.
Gras- und Maiscobs
Der Nährstoffgehalt dieses Futtermittels ist abhängig von dem des Grundfutters. Cobs sind rohprotein- und energiereich, aber rohfaserarm. Die Strukturwirksamkeit der Grascobs ist zu vernachlässigen. Zudem beträgt der Anteil an beständigem Protein knapp 40 %. Bei „Struktur-Heu“, das ebenfalls in den Trocknungen produziert wird, dagegen bleibt die Struktur des Ausgangsmaterials erhalten. In der Milchviehfütterung können etwa 4 – 5 kg Cobs je Kuh und Tag und 6 – 8 kg Strukturheu ohne Probleme eingesetzt werden. Bei Cobs sollte die Menge nicht höher liegen, da es wegen des Fehlens an strukturierter Rohfaser sonst zu Pansenstörungen kommen kann. Die Einsparmöglichkeit an Grundfutter liegt durch den Cobseinsatz bei ca. 20 – 30 % und bei Struktur-Heu entsprechend höher. Der hohe ß-Carotingehalt von Grascobs führt zu einer guten Kombinationseignung mit den ß-carotinarmen Futtermitteln mit Stroh- oder auch Maissilage.
Durch den Einsatz von Maiscobs, die aus der gesamten Maispflanze bestehen und somit rohfaserreich sind, kann in der Ration eine Energielücke geschlossen werden. Der Energiegehalt liegt bei knapp 6,9 MJ NEL/Kg TM. Gerade im Hochleistungsbereich kann deswegen der Zukauf dieses Produktes sinnvoll sein, um höhere Leistungen leichter ausfüttern zu können. In welchem Maße sich Gras- und Maiscobs als Ersatzfuttermittel für die Milchviehfütterung bei Futterknappheit eignen, hängt davon ab, zu welchem Preis sie zugekauft werden können.
Stroh – aber nur kurz gehäckselt
Für den Einsatz von Stroh auch in der Milchviehfütterung spricht die relativ günstige Beschaffung (Zukauf bzw. eigene Ernte), die gute Möglichkeit der Futterlagerung als Rund- oder Quaderballen sowie das Handling, vor allem bei Einsatz eines Futtermischwagens. Der Futterwert (3,7 MJ NEL/kg TM, -7 RNB) ist gering, der Strukturwert dagegen sehr hoch. Zwischen den einzelnen Getreidearten bestehen nur geringe Unterschiede. Wichtig ist die hygienische Beschaffenheit, auf die auch während der Lagerung zu achten ist. Durch den Einsatz von Melasse (ca. 1,0-1,5 kg/Tier/Tag), in Verbindung mit Häckseln des Strohs auf etwa 3,5 – 4,5 cm, kann eine höhere Futteraufnahme erzielt werden.
„Sparrationen“ mit Futterstroh und Kraftfutter
Trockensteher
Der wohl größte Rationsanteil an Stroh lässt sich in der Fütterung der trockenstehenden Kühe einsetzen, vor allem in der ersten Trockenstehphase (7 bis 3 Wochen vor dem Abkalben). In der Übersicht 1 sind exemplarisch drei Rationen für diesen Leistungsabschnitt dargestellt.
Futtermittel | kg Frischsubstanz je Kuh und Tag | ||||
8 kg Milchleistung | |||||
Grassilage 2. Schnitt, 38 % TM | 19,0 | 13,0 | 14,5 | ||
Maissilage 35 % TM (6,5 MJ NEL/kg TM) | – | – | 3,5 | ||
Heu | – | 2,5 | – | ||
Stroh | 4,5 | 4,5 | 5,0 | ||
Ausgleichsfutter | |||||
Weizen | 0,7 | 0,8 | 0,75 | 0,80 | 0,65 |
Melasseschnitzel | 0,7 | 0,7 | 0,75 | 0,75 | 0,35 |
Rapsextraktionsschrot | 0,1 | – | – | – | 0,6 |
Futterharnstoff | – | 0,01 | 0,01 | 0,05 | 0,02 |
Mineralfutter *) | 0,05 | 0,05 | 0,05 | 0,05 | 0,05 |
TM-Aufnahme aus Grobfutter | 11,1 | 11,0 | 11,0 |
*) speziell für Trockensteher
Unterstellt man eine Trockenmasseaufnahme von knapp 11,0 kg, so lassen sich in diesen Rationen bis zu 5 kg Futterstroh unterbringen. Das durch den Stroheinsatz auftretende Nährstoffdefizit muss, wie in den Beispielen gezeigt, beispielsweise mit Einzelkomponenten wie Getreide, Melasseschnitzeln und einer Eiweißkomponente, z.B. Rapsextraktionsschrot, ausgeglichen werden. Um einem Mangel an mikrobieller Synthese vorzubeugen, empfiehlt sich bei diesen Rationskomponenten auch der Einsatz von 10 bis 50 g/Kuh/Tag Futterharnstoff zum Ausgleich der negativen Stickstoffbilanz. Das Mineralfutter Futterharnstoff darf aber nicht als Einzelkomponente direkt verfüttert werden, da die Gefahr besteht, dass die Tiere zu große Mengen auf einmal aufnehmen. Dies kann gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. Voraussetzung ist deshalb, entweder eine Mischung aus Getreide, ggf. einer Eiweißkomponente und Futterharnstoff selbst herzustellen oder auf Mischfutter mit Futterharnstoff (i.d.R. 2 % Anteil) zurückzugreifen. Informationen zum Einsatz von Futterharnstoff gibt das Merkblatt für den Einsatz von Futtermittel-Zusatzstoffen im landwirtschaftlichen Betrieb, Teil 2: Harnstoff und seine Derivate.
Das Einsparpotential an Grobfutterkomponenten dieser Rationen beträgt 40 – 50 %.
Laktierende Kühe
Die folgenden Rationsbeispiele beziehen sich auf die Leistungsabschnitte bis 15, 25 und 35 kg Milchleistung je Kuh und Tag. Der Einsatz und damit der Spareffekt durch Stroh in diesen Rationen richten sich nach dem Laktationsstand und der Milchleistung der Tiere. Während sich bei Kühen im unteren Leistungsbereich (bis 15 kg Milch) bis zu 4,0 kg Stroh in die Ration integrieren lassen, sollte im mittleren Laktationsabschnitt (bis 25 kg Milch) die maximale Strohmenge 2 – 3 kg betragen. Bei Einsatz höherer Mengen ist die für die Leistung notwendige Energiedichte nur schwer abzudecken bzw. in das Tier zu bringen. Im ersten Laktationsabschnitt ist der Einsatz von Stroh sehr begrenzt. In strukturschwachen Rationen werden in der Praxis ca. 300 bis maximal 500 g Häckselstroh (Ø 3,5 cm) eingesetzt. Höhere Anteile wirken sich negativ auf die Futteraufnahme aus und verdünnen dazu die Energiedichte der Rationen zu stark. Auf die Ergänzung der Rationen mit einem aus-reichend vitaminierten Mineralfutter, hier vor allem Vitamin A, D und E, ist bei diesen silagereduzierten Rationen zu achten. Auf die Beachtung der ß-Carotin-Versorgung (150 – 300 mg Kuh/Tag) ist besonders zu achten, da Stroh quasi kein ß-Carotin enthält.
Stroh-Rationen mit mittlerer Gras- und Maissilagequalität
Die folgende Übersicht 2 zeigt Normal- und Sparrationen in verschiedenen Kombinationen mittlerer Gras- und Maissilagequalität. Der Einsatz von Stroh in diesen Rationen zieht einen erhöhten Einsatz von Kraftfutter nach sich, der je nach Rationstyp zwischen zwei bis vier Kilogramm je Kuh und Tag beträgt.
Futtermittel | kg Frischsubstanz je Kuh und Tag | ||||
bis 15 kg | bis 25 kg | bis 35 kg | |||
tägliche Milchleistung | tägliche Milchleistung | tägliche Milchleistung | |||
Normal | Spar | Normal | Spar | Normal | |
Grassilage 1. Schnitt, 35 % TM | 19,5 | 11,0 | 19,5 | 15,5 | 19,0 |
Maissilage 35 % TM (6,5 MJ NEL/kg TM) | 19,5 | 11,0 | 19,5 | 15,5 | 19,0 |
Stroh | — | 4,0 | — | 2,5 | 0,5 |
Ausgleichsfutter | |||||
Weizen | 0,1 | 1,5 | 2,0 | 2,0 | 1,9 |
Körnermais | — | — | — | — | 0,75 |
Rapsextraktionsschrot | 0,6 | 0,75 | — | 0,3 | 0,5 |
Futterharnstoff | 0,05 | 0,06 | 0,08 | 0,07 | 0,06 |
Futterkalk | 0,06 | 0,04 | 0,05 | 0,08 | 0,1 |
Viehsalz | 0,05 | 0,03 | 0,04 | 0,03 | 0,03 |
Mineralfutter **) | *) | *) | 0,15**) | *) | *) |
Leistungsfutter | |||||
MLF 19/4 | — | 1,75 | 3,0 | 4,6 | 6,8 |
zusätzliche Leistungsfuttergabe | — | 3,3 | — | 1,9 | — |
*) 50:50 Gras-Maissilage-Anteil auf Basis Trockenmasse *) Vitamin- u. Spurenelementergänzung **) 11% Ca/ 3,0% P
Der Einspareffekt an Grobfuttern aus Gras- und Maissilage durch den Einsatz von Stroh beträgt je nach Rationstyp und angestrebter Milchleistung 25 bis 45 Prozent.
Stroh-Rationen für die Jungrinderaufzucht und Kalbinnen
In der Jungrinderaufzucht ist in Zeiten von Futtermangel der Einsatz von Stroh erste Wahl. Zwar sind unter diesen Bedingungen die für ein frühes Erstkalbealter notwendigen täglichen Zunahmen nicht zu erreichen. Unter den Bedingungen von Grobfuttermangel muss auf eine hohe Wachstumsintensität der Färsen unter Umständen verzichtet werden.
Der Einsatz von Stroh kommt allerdings erst ab einem Alter von knapp 1 bis 1 1/2 Jahren in Betracht. Ab einem Gewichtsabschnitt von 300 kg können, je nach Rationstyp, 3 bis maximal 4,5 kg Stroh eingesetzt werden. Zur Absicherung der Spurenelement- und Vitamin-versorgung ist eine Zufütterung von 50 g Mineralfutter je Tier und Tag notwendig.
Futtermittel | kg Frischsubstanz je Tier und Tag | ||||||||||||
300 kg Lebendgewicht | 400 kg Lebendgewicht | 500 kg Lebendgewicht | Kalbinnen 24-26 | ||||||||||
1 | 2 | 3 | 1 | 2 | 3 | 1 | 2 | 3 | Monate | ||||
Grassilage 2. Schnitt, 38 % TM | 7,0 | 3,5 | – | 9,0 | 3,0 | – | 9,0 | 3,5 | – | – | |||
Maissilage 35 % TM (6,5 MJ NEL/kg TM) | – | 2,5 | 2,5 | – | 3,5 | 3,5 | – | 4,0 | 7,0 | 5,0 | |||
Stroh | 3,0 | 3,5 | 4,0 | 3,5 | 4,0 | 4,5 | 3,5 | 4,0 | 4,5 | 6,0 | |||
Ausgleichsfutter | |||||||||||||
Weizen | 0,9 | – | 1,5 | – | 1,6 | – | 2,6 | 2,2 | 1,8 | 2,1 | |||
Rapsextraktionsschrot | 0,2 | – | 0,9 | – | 0,7 | – | 0,2 | 0,8 | 1,3 | 1,6 | |||
Mineralfutter | 0,05 | 0,05 | 0,05 | 0,08 | |||||||||
Leistungsfutter | |||||||||||||
MLF 19/4 | – | 1,4 | – | 1,5 | – | 3,0 | – | – | – | – |
Wiederkäuergerechte Ration beachten
Alle Rationen, auch die sog. Notrationen mit Stroh, Nebenprodukten oder höheren Anteilen an Kraftfutter, müssen unter dem Gesichtspunkt der wiederkäuergerechten Fütterung komponiert werden.
Neben den wert bestimmenden Nährstoffen wie Protein, Energie, Stärke, Zucker, Mineral- und Spurenelementen benötigt der Wiederkäuer einen bestimmten Anteil an Rohfaser in der Ration, der etwa 18 % der Gesamt-Trockenmasse betragen sollte. Diese Rohfaser wird benötigt, um die Verdauungsvorgänge im Pansen in den richtigen Gleisen zu halten. Bei ausreichender Versorgung der Pansenmikroben vergären diese die Rohfaser zu Essigsäure. Die Milchkuh produziert daraus Milchfett. Auf der anderen Seite benötigt die Milchkuh eine ausreichende Versorgung mit strukturierter Rohfaser, um eine ausreichende Wiederkau-tätigkeit sicherzustellen.
Hierfür ist die physikalische Beschaffenheit des Futtermittels ausschlaggebend. Durch die damit verbundene Speichelsekretion mit ihren puffernden Bestandteilen werden optimale pH-Wert-Verhältnisse und damit optimale Lebensbedingungen für die Mikroben im Pansen geschaffen. Gerade bei Grobfutterknappheit kann durch erhöhten Einsatz von Kraftfutter eine zu geringe Strukturwirksamkeit der Ration zum Engpass werden. Der Rohfaseranteil der Ration darf nicht unter 16 % absinken. Mindestens 2/3 der Rohfaser in der Trockensubstanz der Gesamtration muss strukturiert sein. Besonders bei knapper Strukturfutterbasis in Verbindung mit erhöhten Kraftfuttergaben ist auf die leicht löslichen Kohlenhydrate in der Gesamtration zu achten.
Futterzukauf
Im Zusammenhang mit Futterknappheit stellt sich die Frage, was Zukauffuttermittel kosten dürfen. Grundsätzlich regeln Angebot und Nachfrage den Preis, aber immer unter Beachtung fachliche Kriterien. Betriebe, die zu wenig Gras- und Maissilage oder Heu haben, sind darauf angewiesen, solche Futtermittel zuzukaufen. Das Defizit kann nicht über strukturschwache Saftfutter oder Kraftfutter ausgeglichen werden. Die Preise für diese Grobfuttermittel müssen sich an den Erzeugungskosten orientieren, wobei diese neben den Anbau-, Ernte- und eventuellen Konservierungskosten auch die Nutzungskosten für Fläche und Arbeit enthalten müssen (Vollkosten). Sinnvollerweise geht man von den Kosten je 10 MJ NEL aus und rechnet auf die Dezitonne bzw. den Kubikmeter hoch.
Produktions- oder Austauschwert bei Saftfuttern
Hierbei sind streng genommen zwei Varianten zu berücksichtigen. Kann man bei Futterknappheit statt dieser Futtermittel auf Kraftfuttermittel zurückgreifen, dann kann die Preiswürdigkeit auf Basis des Austauschwertes der Vergleichsfuttermittel Weizen für Energie und Sojaschrot für Protein ermittelt werden. Die objektivere Variante ist der Produktionswert des Zukauffuttermittels in der Ration. Der Produktionswert hängt vom jeweiligen Rationstyp ab bzw. ob Kraftfutter oder eben Grobfutter ersetzt werden muss.
Fazit
Die bedarfsgerechte Versorgung der Tiere steht trotz aller Schwierigkeiten auch in Zeiten der Futterknappheit im Vordergrund. Höhere Futterkosten und Arbeitsaufwendungen müssen dabei ggf. in Kauf genommen werden.
Mit Sparrationen ist es möglich, die Grobfutterversorgung der Tiere bei Einhaltung der Anforderungen einer wiederkäuergerechten Fütterung zu sichern. Wichtig für den Erfolg einer solchen Maßnahme sind
- Erstellen eines Futterverteilplanes
- Rationsgestaltung nach Leistungsgruppen
- Rationierung des Grobfutterangebotes bei täglich zweimaliger Futterzuteilung, Strohangebot zur freien Aufnahme
- die erforderlichen höheren Kraftfuttergaben auf möglichst vier und mehr Mahlzeiten verteilen, um pansenphysiologische Störungen zu vermeiden
- Beachten des Anteils leichtlöslicher Kohlenhydrate im Leistungsfutter, da besonders bei Grobfutterknappheit die Grenzen der Zucker- und Stärkeverträglichkeit eher erreicht werden
- Mineralstoff-, Vitamin- und Spurenelementausgleich vornehmen.
Die Frage des Grobfutterzukaufs hängt in erster Linie davon ab, ob die betriebseigenen Vorräte für die Mindestversorgung der Tiere ausreichen oder in erster Linie struktur-wirksames Grobfutter zugekauft werden muss. Industrielle Nebenprodukte wie Biertreber, Pressschnitzel, Trester und Sonstige können diese Funktion nur sehr begrenzt erfüllen.
Stand: Herbst 2018