Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Weidegang und AMS – Ist das vereinbar?

Im Rahmen der ALB Fachtagung „Melktechnikkonzepte für die Zukunft“, die am 13. Februar 2019 am Eichhof/Bad Hersfeld stattfand, erklärte Uwe Eilers vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg, wie Weidegang und automatisiertes Melken in Einklang gebracht werden können.

Automatisiertes Melken und Weidegang – zunächst ein Widerspruch?!

Uwe Eilers vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg
Laut einer Anfang 2019 veröffentlichten Umfrage eines Marktforschungsunternehmens tendiert jeder zweite Milchviehhalter bei einer Investition in seine Melktechnik zum Melkroboter. Mit der zum Melkstand vergleichbar hohen Investition möchten die Betriebsleiter die Arbeitsbelastung reduzieren. Parallel zu dieser Entwicklung wächst das gesellschaftliche Bedürfnis, wonach Kühe vermehrt Weidezugang erhalten und einen wesentlichen Teil ihres Futterbedarfs auf der Weide aufnehmen sollen. Die Kombination beider Ansprüche führe zunächst zu Zielkonflikten, erklärte Eilers. Denn: Eine wirtschaftlich optimale, hohe Auslastung des Melkroboters sei beim Weidegang nicht zu erzielen. Hinzu käme, dass der Nachtreibeaufwand zunehmen könnte, da die Kühe auf der Weide verweilen und weniger häufig den Melkroboter aufsuchen. Mit geschicktem Management könnten dennoch die Vorteile beider Systeme, nämlich mehr Tierwohl und verbesserte Arbeitswirtschaft optimal in Einklang gebracht werden, bekräftigte Eilers.

Viele Wege führen auf die Weide

Frisches Futter von der Weide: AMS und Weidegang schließen sich nicht grundsätzlich aus.
Zunächst hängen Art und Umfang des Weidegangs von der Lage des Stalls bzw. der umgebenden Infrastruktur sowie der Weideausstattung ab. Ist die Weide durch eine Straße oder einen Feldweg vom Stall getrennt, ist der kontinuierliche Zugang zum Melkroboter nicht möglich. Hier sollte die Weidedauer eingeschränkt oder die Herde nach Möglichkeit aufgeteilt werden. Dieses Vorgehen ist notwendig, um die Melkfrequenz auf einem akzeptablen Niveau zu halten.
Die Auslastung des Melkroboters hängt auch von der Gestaltung des Weidezugangs ab. Hier unterscheidet Eilers zwischen selektivem (melkabhängigen) und freiem (melkunabhängigen) Zugang. Beim freien Zugang können die Kühe jederzeit auf die Weide, unabhängig davon, wann der nächste Melkbesuch ansteht. Dieses System birgt den höchsten Nachtreibeaufwand. Doch dieser kann durch den Einsatz eines Selektionstores reduziert werden, da nun nur Kühe Weidezugang erhalten, die zuvor gemolken wurden oder noch kein Melkanrecht besitzen.
Das Selektionstor kann unmittelbar hinter dem Melkroboter platziert oder dezentral aufgestellt werden. Die Selektion hinter dem Melkroboter stellt sicher, dass die Kuh auf jeden Fall auf die Weide gelangt. Nachteilig ist, dass es relativ lange dauert bis alle Kühe „den Flaschenhals“ Melkroboter passiert haben (ca. 6 Kühe pro Std.). Dieses Problem stellt sich bei einem dezentralen Weideselektionstor nicht, jedoch können „weidescheue“ Kühe hier im Stall verbleiben.

Melkbesuche gezielt steuern

Automatische Melksysteme sind weiter auf dem Vormarsch (Symbolbild)
Um den Nachtreibeaufwand gering zu halten, wird Wasser in manchen Betrieben nicht auf der Weide, sondern nur im Stall angeboten – davon rät Eilers ab. Seiner Ansicht nach gibt es bessere Anreize, wie z.B. mit einem speziellen Futterangebot die Kühe zurück in den Stall zu locken. Beginn und Abschluss des Weidetages könnten über eine gezielte Futtervorlage gemanagt werden. So sollte eine Stunde vor dem Weidegang der Futtertisch möglichst leer sein. Wenn die Kühe auf der Weide am späten Nachmittag die Geräusche der Futtervorlagetechnik hörten, reiche das meistens aus, die Tiere zur Rückkehr in den Stall zu motivieren, erklärte der Fachmann.

Weitere Faktoren für den freiwilligen Weidegang und das Pendeln seien gesunde Klauen sowie befestigte Triebwege mit hohem Laufkomfort. Eine Steuerung des Weidegangs über das Futterangebot auf der Weide sei ebenfalls möglich. Dies bedarf jedoch umfänglicher Kenntnisse, Erfahrungen und ggf. unterstützender Beratung. Betriebe, die auf diese Weise das Verhalten der Tiere steuern, setzen auf Kurzrasenweide oder Portionsweide.

Angesichts der Eingangs benannten Entwicklung wird das Thema Weidegang und Melkroboter sicher an Bedeutung gewinnen. In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es einer betriebswirtschaftlichen Bewertung des Systems bedarf, um interessierte Betriebe bei der Umsetzung zu unterstützen.


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