Bauen & Sanieren
Gebäudeerhaltung – ein großer Beitrag zum Klimaschutz
Der Weltklimagipfel in Glasgow ist Geschichte, begleitet von großen und lautstarken Demonstrationen. Das Thema Klimaschutz wurde (weltweit) lange vernachlässigt. Und auch Deutschland hat noch einen schwierigen Weg vor sich, denn nach Angaben des Statistischen Amts der EU verursachte im Jahr 2017 jeder Deutsche im Schnitt 11,3 Tonnen CO2-Äquivalente. Das liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 8,8 t.
Die neue Regierung, die seit Anfang Dezember im Amt ist, wird gefordert sein, die Klimaziele in Deutschland und Europa umzusetzen. Neben anderen wichtigen Hebeln sollte der Baubranche, die zu den ressourcenintensiven Wirtschaftszweigen gehört, mehr Beachtung geschenkt werden, denn hier schlummert ein großes Treibhausgas(THG)-Einsparpotential.
Die zentrale Herausforderung besteht darin, dass sowohl Entscheidungsträger und Beschäftigte in der Baufachbranche als auch die Bürger die jeweiligen Maßnahmen nachvollziehen können und unterstützen.
Bei der Baubranche ist noch viel Luft nach oben
Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2020 trägt der Bausektor 40 % zu den Gesamt-THG-Emissionen Deutschlands bei. Eingerechnet sind die Materialherstellung, Errichtung, Modernisierung, die Nutzung und der Betrieb von Wohn- und Nichtwohngebäuden einschließlich vor- und nachgelagerter Prozesse.In Deutschland werden nach Angaben des Zentrums für Ressourceneffizienz jährlich 90 % aller gewonnenen mineralischen Rohstoffe verbaut, auch diese Rohstoffe sind endlich. Zusätzlich benötigt das Bauwesen erhebliche Mengen an energieintensiv produzierten Stahl und anderen Metallen, die importiert werden müssen. Im Gebäudebestand steckt also Material und Herstellungsenergie in großem Ausmaß.
Auch das Abfallaufkommen der Baubranche (überwiegend durch Abrissmaßnahmen) ist nicht unerheblich, es macht 55 % des Gesamtabfallaufkommens aus und wird nur sehr beschränkt einer weiteren Nutzung zugeführt.
Es gibt viele Lösungsansätze
Gebäudeerhalt vor Neubau
Mit unserem Baubestand verfügen wir über eine gewaltige Ressource. Der weitestgehende Erhalt bestehender Bausubstanz, die energieeffiziente Ertüchtigung sowie die Gebäudebegrünung in Städten (Dächer, Fassaden, Umfeld) sollten oberstes Ziel sein.
Der tägliche Flächenverbrauch für Neubaumaßnahmen ist erheblich (aktueller Flächenverbrauch: 52 ha täglich, Ziel 2030: 30 ha) und stellt Neubaugebiete auf der „grünen Wiese“ in Frage. Im Sinne der Nachhaltigkeit geht es vorrangig darum, bestehende Wohngebiete weiter zu entwickeln sowie durch energetische Sanierung, Umbau und Aufstockung zukunftsfähig zu gestalten und somit auch zu erhalten.
Es ist ein Trugschluss, dass man mit dem Abriss älterer, ineffizienter Wohn- und Nichtwohngebäude und einem energieeffizienten Ersatzneubau generell etwas Gutes für den Klimaschutz tut. Jedes Bestandsgebäude hat in seinem Material und dem Bauaufwand viel Energie gespeichert, die mit einem (energieaufwändigem) Rückbau (Abriss) verworfen wird. Ein Neubau erfordert wieder neue Energie mit Treibhausgasemissionen.
Je weniger Betriebsenergie der sanierte Gebäudebestand in Zukunft verbraucht, umso mehr wirkt sich der energetische Aufwand für den Neubau, den Rückbau und die Verbringung von Abfällen aus.
Sanieren und Bauen als Materialkreislauf
Materialkreislauf – was ist darunter zu verstehen? Mitte des letzten Jahrhunderts hätten wir diese Frage noch leicht beantworten können, denn nach dem 2. Weltkrieg wurde aus gebrauchtem Material wieder aufgebaut. Sind wir heute weiter? Nein, im Gegenteil: Moderne, ressourcenintensive Baumaterialien und chemische Produkte dominieren die Baubranche. Neben einer oft begrenzten Lebensdauer sind sie nicht wiederverwendbar. Zudem bedarf der Einbau gebrauchter Materialien in Neubauten zurzeit immer noch Sondergenehmigungen.
Es geht beim geschlossenen Materialkreislauf – als Aspekt der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes – um langlebige, qualitativ hochwertige Materialien und Produkte, die reparabel und wiederverwendbar sind. Für ganze Gebäude heißt das, sie lassen einen Umbau bzw. eine Umnutzung zu und halten die Grundsätze der Energieeffizienz, der Wohngesundheit, des Brandschutzes und des Schallschutzes ein. Das fängt bei der Planung an: Holzbau statt Beton und Gipskarton, Schrauben statt Kleben, Einsatz von Naturfaserdämmstoffen statt künstlicher oder hybrider Materialien, Anwendung natürlicher Putze und Beschichtungen statt Kunststofftapeten und ~verkleidungen.
Für jede Bauherrin und jeden Bauherren gilt: Informieren Sie sich über nachhaltige Bauprodukte für Ihre Renovierung und energetische Sanierung. Natürliche Bauprodukte stehen wärmetechnisch vielen konventionellen Dämmstoffen nicht nach und sie bieten zusätzlich Schutz vor Sommerhitze, höheren Schallschutz und natürlichen Umgang mit Feuchte. Lassen Sie sich zu jeder Sanierung fachkundig beraten.
Naturbaustoffe sind teurer?
Naturdämmstoffe sind nicht grundsätzlich teurer, denn der Preis muss als Gesamtsystem im Verbund gerechnet werden und bemisst sich vorrangig am Personalaufwand. Im Holzbau entstehen nur dann höhere Kosten, wenn die Planung nicht von Anfang an auf den Holzbau ausgerichtet war.
Holz und Naturfaserdämmstoffe reduzieren überwiegend das Treibhauspotential, denn die Kohlenstoffeinlagerung während des Wachstums (Biomasseaufbau) überwiegt den CO2-Ausstoß der Produktherstellung. Alle künstlichen Bau- und Dämmstoffe (Beton, Ziegel, Gips, Metalle, Mineral-, Glas- und Steinwolle sowie Kunststoffe) hingegen tragen in der Rohstoffgewinnung und Herstellung zum Treibauseffekt bei.
Es wäre also erforderlich, dass der Preis künstlicher Bauprodukte ganzheitlich am Verbrauch primärer Rohstoffe, am Energieverbrauch für die Herstellung, am Treibhausgaspotential und an der Umweltwirkung nach Abbruch (Deponievolumen, Verbrennungsabgase) bemessen wird.
Es gibt doch viel zu wenig Holz?
Bleibt die Frage, ob das natürliche Baumaterial auch zur Verfügung steht. Hier sind sowohl die politische Steuerung als auch die Marktnachfrage gefordert. Die Hersteller von Naturfaserdämmstoffen stehen praktisch „in den Startlöchern“ für eine Produktionserweiterung, wenn der politische Wille und die Kontinuität der Rohstoffzulieferung manifestiert sind.
Die aktuelle Verknappung auf dem Holzmarkt wurde durch einen intensiven Export und geringeren Import in jüngster Zeit verursacht. Unsere nachhaltige Waldbewirtschaftung erzeugt immer noch jedes Jahr deutlich mehr Holz, als eingeschlagen und dem Markt zur Verfügung gestellt wird. Diesbezüglich wäre es sehr wichtig, dass holzverarbeitende Betriebe Holz aus ihrer Region nachfragen und einsetzen.
Attraktive Fördermöglichkeiten nutzen
Alle Bau- und Sanierungsmaßnahmen, die der Energieeffizienz dienen, sind förderfähig. Mit der aktuell geltenden Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) steht ein Instrument großzügiger Förderung zur Verfügung, egal ob kreditfinanziert mit Tilgungszuschuss oder als Zuschuss zur Privatinvestition. Auch Mieter und Pächter dürfen mit Zustimmung des Eigentümers energetisch sanieren und Förderungen beantragen. Das Land Hessen fördert zusätzlich mit einem Zuschuss bei der Kreditvariante.
Die nachhaltige, klimaschonende energetische Sanierung und die Nutzung erneuerbarer Energie lohnt sich auf jeden Fall! Schalten Sie sobald als möglich einen Energieberater ein. Auch das Internet bietet viele Informationen, Dokumentationen und Kurzfilme zum nachhaltigen Bauen und Sanieren.
Gewusst wie – Weiterbildungsangebote des LLH
Das Kompetenzzentrum HessenRohstoffe (HeRo) beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen bietet vielfältige Weiterbildungsveranstaltungen für die Baufachbranche, für Bauverantwortliche und für am Bauen und Sanieren Interessierte an.
Weitere Informationen und Bildungsangebote finden Sie unter Bauen & Sanieren.
„CO2-Emissionen“ und „Treibhauseffekt“ – wie hängen diese zusammen? Fast alle Lebensvorgänge, fossile Energieerzeugung, Herstellungsprozesse, Transporte usw. erzeugen Kohlendioxid (CO2). Nur wenige Prozesse, z.B. die Photosynthese der grünen Pflanzen, binden CO2. In unserer Luft, dem Gasgemisch der Erdatmosphäre, ist CO2 nur eine Spurengas. Jahrtausende stand es im Gleichgewicht mit den anderen Gasen der Luft, aber in den letzten 150 Jahren ist es um ca. 1/3 angewachsen. Als wichtigstes Treibhausgas beeinflusst CO2 das Klima der Erde und durch seine Löslichkeit in Wasser den pH-Wert der Ozeane wesentlich. Der atmosphärische Treibhauseffekt, angetrieben durch verschiedene Treibhausgase, ist vergleichbar mit dem Klima in einem Gewächshaus: das Sonnenlicht dringt nahezu ungehindert ein, die daraus entstehende Wärme kann aber über die Hülle nur schwer entweichen.
Um die Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase zu veranschaulichen, werden sie in CO2-Äquivalenten (CO2eq) berechnet. Neben dem wichtigsten von Menschen verursachten Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) gibt es weitere Treibhausgase wie beispielsweise Methan oder Lachgas.