Marktinformation & Preise
Hafer – eine Marktfrucht mit Zukunft
In 2017 wurde der Hafer an der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres ausgezeichnet. Aufgrund seiner wertvollen Inhaltsstoffe gilt das Getreide inzwischen als echtes Superfood. Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, dass der Markt für Haferprodukte boomt wie selten zuvor. Nicht nur in den skandinavischen Ländern, wo der Hafer bereits vor Jahren seinen Siegeszug antrat, sondern auch in Deutschland. Das Sortiment an Ceralien auf Haferbasis wird sukzessive erweitert. Zusätzlich entstanden zuletzt auch zahlreiche neue Produktvariationen. Neben Snack-Riegeln, Müsli-Produkten, skandinavischen Haferkeksen oder Joghurt aus Hafer werden sogar schon Teigwaren wie Penne von italienischen Pasta-Herstellern hergestellt. Überdies gewinnen alternative Milchprodukte auf Haferbasis immer mehr Marktanteile. Gesundheitliche, umweltbezogene und ethische Motive dürften hier bei den Verbrauchern eine Rolle spielen. Dabei werden besonders jüngere Kundensegmente angesprochen, die sich bereits bewusst ernähren oder ihre Ernährung umstellen möchten.
Zu wenig Schälhafer am deutschen Getreidemarkt
Gleichzeitig ist die Bedeutung von Hafer auf heimischen Äckern in den vergangenen Jahren zurückgegangen. In Deutschland war die Anbaufläche 2023 im zweiten Jahr in Folge rückläufig – mit 139.000 ha im Vergleich zum Vorjahr 2022 (160.000) um ca. 12 %. Auch das fünfjährige Mittel von 2017 bis 2022 übersteigt die Anbaufläche 2023 um mehr als 5 %. Dabei besteht zunehmend Bedarf an hochwertigem Schälhafer für die Nahrungsmittelproduktion. Der Bedarf der Mühlen an Qualitätshafer ist seit 2008 um etwa 70 % gestiegen. Bei einem Selbstversorgungsgrad von lediglich 70 % stammen in Deutschland nur 30 % des Industriehafers von heimischen Landwirten. Die Versorgungsbilanz ist also angespannt, was einen hohen Importbedarf zur Folge hat. Um die Versorgungsbilanz auszugleichen, müssen Fehlmengen v.a. aus Finnland, Polen und Schweden importiert werden. Doch die wenigen Exportländer hatten ebenso schwache Ernten, sodass der Hafer in Deutschland immer knapper wird. Infolgedessen kam es zuletzt zu regelrechten Preissprüngen am Teilmarkt für Hafer. Preise sind Knappheitsindikatoren und spiegeln das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wieder. Mit den höheren Preisen könnte sich der Anbau von Hafer in der Fruchtfolge wieder lohnen. Zumal der Hafer durch seine phytosanitäre Wirkung in engen weizenlastigen Fruchtfolgen einen durchaus beachtlichen Vorfruchtwert aufweist.
Bei der Vermarktung planvoll vorgehen
Etwa 50 % des verbrauchten Hafers bzw. 481.000 t dienen in Deutschland Fütterungszwecken v.a. in der Pferdehaltung. Es besteht jedoch zunehmend Bedarf an hochwertigem Schälhafer für die Nahrungsmittelproduktion. Für den Anbau von Schälhafer sollte die Sortenfrage im Vorfeld mit der aufnehmenden Hand abgestimmt werden. Als Schälhafersorten eigenen sich vor allem Bison, Max und Apollon, eingeschränkt auch Armani und Lion. Zu attraktiven Preisen lässt sich Schälhafer nur dann vermarkten, wenn die Qualitätsparameter stimmen. Geringe Hektolitergewichte führen bei den Schälmühlen nicht automatisch zum Ausschluss. In der Regel wird aber ein Hektolitergewicht von mind. 53 kg sowie ein Spelzenanteil von < 26 % gefordert. Die Schälbarkeit und Korngrößensortierung sind weitere wesentliche Kriterien für die Schälhafervermarktung. Die geforderten Qualitäten können vor allem beim hl-Gewicht in der Praxis zumeist nur auf guten Standorten bei gesicherter Wasserversorgung, nicht zu hohen Niederschlägen sowie kühleren Temperaturen während der Kornfüllungsphase erzielt werden. Eine Bonitierung bei der Mühle gibt Aufschluss darüber, ob die Partien als Industriehafer vermarktet werden können oder nicht. Der Preis für Qualitätshafer liegt laut der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) Bonn im Bundesdurchschnitt aktuell bei 242 Euro/t (frei Erfasser) und somit sogar über dem Niveau von Qualitätsweizen. In Abhängigkeit von der logistischen Anbindung und der regionalen Nachfragestruktur ist im Raum allerdings eine große Standardabweichung möglich. Während Betriebe in Hessen für ihren Hafer aktuell 275 Euro/t erzielen, müssen sich die Landwirte im Rheinland derzeit mit 234 Euro/t zufriedengeben. In Zeiten einer knappen Marktversorgung können die Haferpreise also durchaus konkurrenzfähig sein. Ist dies der Fall, wirkt sich dies typischerweise auch positiv auf den Deckungsbeitrag aus. Entspricht die Qualität der Partien nicht den Anforderungen von Schälhafer, muss die Ernte als Futterhafer vermarktet werden. Es drohen in diesem Fall Erlöseinbußen von ca. 20 Euro/t, was naturgemäß ein gewisses Vermarktungsrisiko impliziert. Generell lässt sich aber sagen, dass das Vermarktungsrisiko im direkten Vergleich geringer ist als im Braugerstenanbau.
Das Wichtigste nochmal in Kürze
Es lässt sich festhalten, dass der Hafer aufgrund seiner Marktpotenziale und positiven Fruchtfolgewirkungen eine interessante Kultur im Anbauspektrum darstellt. Wirtschaftlich wird der Anbau aber nur dann sein, wenn man ihn nicht auf schwachen Standorten verkümmern lässt und die Partner in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Dem Wissenstransfer kommt hier eine wichtige Bedeutung zu. Aufgrund der abgeleiteten Nachfrage haben die Mühlen inzwischen einen enormen Bedarf an heimischen Hafer. Damit sich der Hafer wieder in den Fruchtfolgen fest etablieren kann, sollten die Schälmühlen für Qualitätshafer aus Deutschland ggf. höhere Preise ausloben. Auf den Seiten der VGMS „Initiative Haferanbau“ finden sich Kontaktdaten zahlreicher Hafermühlen für die jeweiligen Bundesländer.
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