Agri-Photovoltaik – Potenzial für Landwirtschaft und Energiewende?
Nachdem der Zubau von Photovoltaik (PV)-Anlagen ab Anfang der 2010er Jahre etwas ins Stocken geriet, hat die installierte Leistung ab 2017 wieder deutlich zugenommen. Rund 6,3 % der Stromerzeugung Deutschlands stammen aktuell aus Photovoltaik. PV-Anlagen auf Freiflächen finden in der Gesellschaft nur eingeschränkte Akzeptanz aufgrund der möglichen Konkurrenz zwischen Energie- und Lebensmittelerzeugung. Durch Agri-Photovoltaik (Agri-PV), d.h. die Kombination von landwirtschaftlicher Produktion und Stromerzeugung auf der gleichen Fläche, könnte die Nutzungskonkurrenz umgangen und das Portfolio der erneuerbaren Energien um einen interessanten Baustein erweitert werden. Für Landwirte hängt die Attraktivität entscheidend von den Einspeisevergütungen und dem Pflanzenertrag ab, der unter Agri-PV-Anlagen erzielt werden kann. Im Folgenden sollen relevante Agri-PV-Bauarten, die Eignung verschiedener Pflanzenarten für den Anbau in Agri-PV-Anlagen, relevante Änderungen im neuen EEG, sowie in Hessen zu erfüllende Voraussetzungen für die Errichtung von EEG-konformen Freiflächen-PV-Anlagen dargestellt werden.
Unterschiedliche technische Ansätze verfügbar
Für die Ausrichtung der PV-Module gibt es verschiedene Varianten, die nach der Art der Aufständerung in bodennahe und hoch-aufgeständerte, bodenferne Systeme unterschieden werden. Bei Letzteren kann die Höhe bzw. Anzahl der angebrachten PV-Module bedarfsgerecht angepasst werden, so dass eine Bewirtschaftung der Fläche unter den Modulen mit betriebsüblicher Technik möglich ist. Abbildung 1 zeigt beispielsweise eine Anlage, in der Getreide angebaut wird. Entsprechend wurde die Konstruktion so errichtet, dass ein Mähdrescher passieren kann. Um eine ausreichende Sonneneinstrahlung sicher zu stellen, wurden die Module mit Abstand angeordnet. Aufgrund der notwendigen Höhe sind hoch-aufgeständerte Anlagen aber mit höheren Kosten verbunden, welche die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen können.
Bei Kulturen, die eine geringere Sonneneinstrahlung tolerieren, kann die Anzahl der Module entsprechend erhöht werden. In der Praxis verwendet man dafür meist sogenannte semi-transparente Module. Dabei wird der Abstand zwischen den Solarzellen so gewählt, dass die Einstrahlungsintensität unter den Modulen den Bedarf der angebauten Kultur weitgehend abdeckt, siehe Abbildung 2.
Eine weitere Möglichkeit, die Produktion von elektrischer Energie und pflanzlicher Biomasse zu optimieren, sind bifaziale Solarmodule (Abb. 3) Diese erzeugen den Strom sowohl über die Vorder- als auch über die Rückseite und haben einen geringeren Flächenbedarf. Bei vertikaler Anordnung kann die dazwischenliegende Fläche problemlos mit Landmaschinen befahren werden. Höherwachsende Kulturpflanzen können bei solchen bodennahen Anlagen allerdings eine Beschattung der Module verursachen. Erste Pilotprojekte sind in Deutschland bereits angelaufen.
Nicht nur die Einstrahlung ändert sich
Abgesehen von den Einspeiseerlösen, die mit der Agri-PV-Anlage erzielt werden, wird der wirtschaftliche Erfolg davon bestimmt, inwieweit die Veränderung des Mikroklimas unter/in Agri-PV-Anlagen die pflanzliche Produktion beeinflusst. Dabei ist bei Anlagen mit eher horizontal angeordneten Solarmodulen die Einstrahlung derjenige Faktor, der am stärksten beeinträchtigt wird. Aber auch die Effekte auf Lufttemperatur, Luftfeuchte und Bodentemperatur müssen berücksichtigt werden. Besonders in trockeneren Regionen kann eine verminderte Einstrahlung über geringere Temperaturen und Verdunstung die Wasserverfügbarkeit verbessern.Prinzipiell sind alle Pflanzenarten auf Einstrahlung angewiesen, um Biomasse aufzubauen. Im ersten Schritt der Photosynthese wird Lichtenergie über elektrische und elektrochemische Energie in chemische Energie umgewandelt. In einem zweiten Schritt wird diese Energie genutzt, um CO2 zu assimilieren. Der dann gebildete Zucker wird zu Glukose, Stärke und Saccharose umgewandelt und bildet die Grundlage für das Pflanzenwachstum. Es besteht daher meist eine enge Beziehung zwischen der über den Blattapparat aufgenommen Strahlung und dem Ertrag. Bei Silomais kann man beispielsweise annehmen, dass pro Megajoule aufgenommener, photosynthetisch aktiver Einstrahlung rund 3,5 bis 4,0 g Biomasse gebildet werden.
Allerdings können einige Pflanzenarten ihre Morphologie und Physiologie an eine verringerte Einstrahlung anpassen, so dass der Ertrag zunächst nicht oder nur geringfügig abnimmt. Andere Arten hingegen reagieren auf Beschattung mit einem starken Ertragsrückgang. Unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise in südlichen Regionen oder in Extremwetterjahren mit hohen Temperaturen und geringen Niederschlägen, kann sich ein gewisses Maß an Beschattung auch durchaus positiv auf die Ertragsbildung auswirken.
Agri-Photovoltaik – nicht für jede Kulturart gut geeignet
Für die Entwicklung von optimierten Agri-PV-Systemen bzw. entsprechend angepassten Fruchtfolgen ist es also entscheidend zu wissen, wie unterschiedliche Kulturpflanzenarten auf eine reduzierte Einstrahlung reagieren. Um hierfür eine solide Wissensbasis zu schaffen, haben Forscher der Universität Hohenheim 58 Studien gemeinsam ausgewertet, in denen verschiedene Pflanzenarten über nahezu die gesamte Vegetationszeit unterschiedlicher Beschattung ausgesetzt waren.
Die Daten ließen erkennen, dass bei stärkerer Beschattung (≥ 50 % Reduktion der Einstrahlung) alle Pflanzenarten mit einem Ertragsverlust reagieren (Abb. 4). Offensichtlich wurde aber auch, dass sich Arten in ihrer Reaktion auf eine zunehmende Beschattung deutlich unterscheiden, und dass man Kulturen mit vergleichbarem Reaktionsmuster identifizieren kann.
Am stärksten auf eine Abnahme der Einstrahlung reagieren Körnerleguminosen (Sojabohne) und Mais. Bereits eine geringe Beschattung führt hier zu überproportionalen Ertragsrückgängen. Alle anderen Kulturen scheinen ein geringes Maß an Beschattung zumindest zu tolerieren. Futterpflanzen (Futtergräser, Klee, Luzerne), Blattgemüse (Salat, Spinat) und Wurzel-/Knollenfrüchte (Kartoffel, Zuckerrübe) weisen bei Abnahme der Einstrahlung um ≤ 20% Ertragsverluste auf, die unter-proportional zur Strahlungsabnahme sind. Bei Getreide ist dies nur bei einer Reduktion der Einstrahlung bis zu 15 % der Fall. Im Gegensatz dazu gehören Beerensträucher (Heidelbeere, Brombeere, Erdbeere, Johannisbeere), Obst/Wein sowie Fruchtgemüse (Paprika, Squash) zu den Pflanzentypen, die von einer moderaten Reduktion der Einstrahlung (bis 30, 25, bzw. 20 %) sogar profitieren können, d.h. Ertragsanstiege zeigen. Die Vorfahren von Himbeere, Heidelbeere, Brombeere und Erdbeere finden sich bevorzugt in lichten Wäldern und Waldrändern, sind also an eine geringere Einstrahlung angepasst.
Für Agri-PV-Anlagen mit horizontaler Modulanordnung kann man eine mittlere Reduktion der Einstrahlung von 20 bis 40 % annehmen. Aus den dargestellten Ergebnissen kann also geschlussfolgert werden, dass sich Beerensträucher, Obst und Blattgemüse prinzipiell besser für einen Anbau in einem solchen Agri-PV-System eignen als beispielsweise Mais oder Körnerleguminosen.
Flächennutzungseffizienz
Um die Effizienz der Doppelnutzung zu bewerten, wird oft die Landnutzungsrate (LNR) herangezogen, und die kombinierten Erträge einer Agri-PV-Anlage (Strom und Biomasse) zu den Erträgen ins Verhältnis gesetzt, die bei ausschließlicher landwirtschaftlicher Produktion oder Nutzung als Freiflächen-PV-Anlage (FFA) erzielt werden:
Eine LNR von 1,5 würde bedeuten, dass auf einem ha Agri-PV die gleiche Menge Elektrizität und landwirtschaftlicher Ertrag produziert wird wie auf 1,5 ha einer rein landwirtschaftlich bzw. über PV genutzten Fläche. Die Landnutzungsrate quantifiziert aber lediglich die Flächennutzungseffizienz, und lässt keinen Schluss auf die ökonomische Vorzüglichkeit zu.
Durch die gezielte Anordnung der PV-Module und Wahl von Pflanzenarten, die einen Ertragszuwachs bzw. keinen starken Ertragsrückgang bei reduzierter Einstrahlung zeigen, kann mit einer Agri-PV-Anlage also unter Umständen eine höhere Flächeneffizienz erzielt werden als bei einer reinen ackerbaulichen Nutzung bzw. einer reinen PV-Freiflächenanlage. Ergebnisse aus einer Pilotanlage aus dem südlichen Baden-Württemberg (Abb. 1) zeigen vergleichsweise hohe Landnutzungsraten von 1,56 bis 1,87, was vermutlich auf den Einsatz von bifazialen PV-Modulen und den höheren vertikalen Abstand zurückzuführen ist.
Agri-PV im neuen EEG explizit berücksichtigt
In der am 30. Juli 2022 in Kraft getretenen Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurden erstmals drei Fördertatbestände für bestimmte Agri-PV-Anlagen aufgenommen. Voraussetzung dafür ist, dass die Flächen nicht als Moorboden eingestuft sind und zum anderen nicht in einem Naturschutzgebiet oder Nationalpark liegen. Folgende drei Anlagenmodelle können nach dem EEG 2023 gefördert werden:
- Anlagen auf Ackerflächen mit gleichzeitigem Nutzpflanzenanbau auf derselben Fläche
- Anlagen auf Flächen mit gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung in Form eines Anbaus von Dauerkulturen oder mehrjährigen Kulturen auf derselben Fläche
- Anlagen auf Grünland bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung als Dauergrünland, wenn die Fläche nicht als Nationalpark festgesetzt worden ist, nicht in einem Natura-2000-Gebiet liegt und kein Lebensraumtyp ist, der in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt ist
Werden diese Agri-PV-Anlagen horizontal aufgeständert, erhalten die Betreiber, die im Jahr 2023 einen Zuschlag erhalten, eine Erhöhung des anzulegenden Wertes (Grundlage u.a. für die Höhe der Einspeisevergütung) um 1,2 ct/kWh. Dieser verringert sich ab 2024 jährlich bis auf 0,5 ct/kWh in den Jahren 2026 bis 2028 (vgl. § 38b Absatz 1 EEG 2023).
Weiterhin wurde durch das EEG 2023 der Degressionsmechanismus geändert. Ab Ende Juli 2022 findet bis 2024 keine Degression mehr statt, danach nur noch halbjährlich und voraussichtlich nur mit einer Reduktion von einem Prozent der gültigen Einspeisevergütung. Demnach haben Freiflächenphotovoltaikanlagen bis 750 kW bis 2024 Anspruch auf die 20-jährige EEG-Festvergütung in Höhe von 4,26 Ct/kWh. Für Freiflächenanlagen ab einer Leistung von 750 kW wird der Vergütungspreis per Ausschreibung ermittelt.
Aufgrund der gestiegenen Strompreise sind Anlagen auch ohne EEG-Förderung wirtschaftlich, beispielsweise durch die Vermarktung des Stroms über mehrjährige Stromabnahmeverträge und/oder durch Eigennutzung des Stroms. Für diese Anlagen gelten auch nicht die genannten Anforderungen, wie es beim EEG der Fall ist.
Voraussetzungen für die Errichtung von Agri-PV mit EEG-Vergütung in Hessen
Freiflächensolaranlagenverordnung
Mit der im Dezember 2018 verabschiedeten Freiflächensolaranlagenverordnung können Anlagen auch dann über das EEG vergütet werden, wenn der Standort auf sogenanntem „benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiet“ liegt. Vorher war eine EEG-Vergütung im Wesentlichen nur für Solaranlagen auf Konversionsflächen oder 110 Meter breiten Streifen entlang von Autobahnen oder Schienen möglich.
Der Begriff „benachteiligtes Gebiet“ stammt aus dem EU-Agrarförderrecht. Die Lage in einem benachteiligten Gebiet ist Basis für bestimmte Ausgleichszahlungen an Landwirtschaftsbetriebe. Das EEG ermöglicht den Bundesländern, sich an dieser Kategorie zu orientieren und solche Flächen für vergütungsfähige Solaranlagen freizugeben. In Hessen gelten ca. 320.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche als „benachteiligt“. Sie machen etwa zwei Fünftel Acker- und Grünlands aus.
Baurechtliche Zulässigkeit
Die Einstufung einer Fläche als „landwirtschaftlich benachteiligtes Gebiet“ ist für die Beurteilung der planerischen bzw. baurechtlichen Zulässigkeit nicht entscheidend.
Anhand des Festlegung im jeweiligen Regionalplan ist zu prüfen, ob eine Freiflächensolaranlage Konflikte mit Zielen der Raumordnung auslöst. Beispielsweise kann eine Agri-PV-Anlage im Vergleich zu einer herkömmlichen Freiflächenanlage im Vorranggebiet Landwirtschaft Vorteile haben.
Sollte ein Zielkonflikt bestehen, kann ein Zielabweichungsverfahren durchgeführt werden, welches von der Gemeinde beim zuständigen Regierungspräsidium beantragt werden muss. Des Weiteren wäre der entsprechende Teilregionalplan Energie Hessen zu prüfen. Abrufbar sind die Pläne auf den jeweiligen Internetseiten des zuständigen Regierungspräsidiums. Die Teilregionalpläne befinden sich aktuell in Überarbeitung, sodass es zu Veränderungen in der Ausweisung von Flächen kommen kann.
Wenn aus Sicht der Regionalplanung keine Einschränkung hinsichtlich der Nutzung einer Fläche für PV besteht, kann die Kommune (Planungshoheit) für die betreffende Fläche einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan erstellen. Im nächsten Schritt kann eine Baugenehmigung beantragt werden, die nach Prüfung durch die untere Bauaufsichtsbehörde erteilt werden kann. Eine Baugenehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Höhe der Anlage 3 m nicht übersteigt, die Gemeinde vorher informiert wurde und diese keinen Widerspruch einlegt (Quelle: https://www.energieland.hessen.de/bfeh/webinar_freiflaechenpv/Buergerforum_PVFF_Kurzinfo_final.pdf).
Abschließend muss erwähnt werden, dass sämtliche beschriebenen Voraussetzungen nur in Verbindung mit der EEG-Vergütung gelten. Soll der Strom eigenständig vermarktet werden, empfiehlt sich die Kontaktaufnahme zur Kommune, welche die Voraussetzungen prüft bzw. vorgibt. Empfehlenswert ist auch, im Vorfeld Kontakt zur lokalen Gemeindevertretung (den Entscheidungsträgern) und dem zuständigen Bauamt zu suchen.
Parallel sollte mit dem lokalen Energieversorger abgestimmt werden, ob passende Einspeisepunkte in der Nähe zur angedachten Fläche vorliegen, die für eine Einspeisung freigegeben werden können. Sollte sich herausstellen, dass das Projekt tatsächlich realisiert werden kann, ist es ratsam, den Bürgerinnen und Bürger der Umgebung das Projekt vorzustellen, um Akzeptanz zu schaffen.
Fazit
Agri-PV-Anlagen können für einige landwirtschaftliche Betriebe in Hessen eine interessante Alternative zur Diversifizierung des Betriebseinkommens darstellen, insbesondere da das neue EEG2023 für solche Anlagen erstmals Fördertatbestände geschaffen hat. Im Vorfeld sind jedoch die gesetzlichen Vorgaben für die Errichtung der Anlage genau zu prüfen. Anlagenbauart und pflanzliche Produktion (Fruchtfolgegestaltung, Dauerkulturen) müssen optimal aufeinander abgestimmt werden, um eine möglichst hohe Flächennutzungseffizienz und wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.